Page - 70 - in Das Schloss
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Wirtshauses war, zur Heirat gedrÀngt und hierbei keine andere Hoffnung
gehabt hÀtte als Ihre Arbeitskraft, die man ja noch gar nicht kannte, und
Hansens Arbeitskraft, deren Nichtvorhandensein man doch schon erfahren
haben muĂte.
»Nun ja«, sagte die Wirtin mĂŒde, »ich weiĂ ja, worauf Sie zielen und wie
fehl Sie dabei gehen. Von Klamm war in allen diesen Dingen keine Spur.
Warum hĂ€tte er fĂŒr mich sorgen sollen oder richtiger: wie hĂ€tte er ĂŒberhaupt
fĂŒr mich sorgen können? Er wuĂte ja nichts mehr von mir. DaĂ er mich nicht
mehr hatte rufen lassen, war ein Zeichen, daĂ er mich vergessen hatte. Wen er
nicht mehr rufen lĂ€Ăt, vergiĂt er völlig. Ich wollte davon vor Frieda nicht
reden. Es ist aber nicht nur Vergessen, es ist mehr als das. Den, welchen man
vergessen hat, kann man ja wieder kennenlernen. Bei Klamm ist das nicht
möglich. Wen er nicht mehr rufen lĂ€Ăt, den hat er nicht nur fĂŒr die
Vergangenheit völlig vergessen, sondern förmlich auch fĂŒr alle Zukunft.
Wenn ich mir viel MĂŒhe gebe, kann ich mich ja hineindenken in Ihre
Gedanken, in Ihre hier sinnlosen, in der Fremde, aus der Sie kommen,
vielleicht gĂŒltigen Gedanken. Möglicherweise versteigen Sie sich bis zu der
Tollheit, zu glauben, Klamm hÀtte mir gerade meinen Hans deshalb zum
Manne gegeben, damit ich nicht viel Hindernis habe, zu ihm zu kommen,
wenn er mich in Zukunft einmal riefe. Nun, weiter kann auch Tollheit nicht
gehen. Wo wÀre der Mann, der mich hindern könnte, zu Klamm zu laufen,
wenn mir Klamm ein Zeichen gibt? Unsinn, völliger Unsinn; man verwirrt
sich selbst, wenn man mit diesem Unsinn spielt.«
»Nein«, sagte K, »verwirren wollen wir uns nicht, ich war mit meinen
Gedanken noch lange nicht so weit, wie Sie annehmen, wenn auch, um die
Wahrheit zu sagen, auf dem Wege dorthin. VorlÀufig wunderte mich aber nur,
daĂ die Verwandtschaft so viel von der Heirat erhoffte und daĂ diese
Hoffnungen sich tatsĂ€chlich auch erfĂŒllten, allerdings durch den Einsatz Ihres
Herzens, Ihrer Gesundheit. Der Gedanke an einen Zusammenhang dieser
Tatsachen mit Klamm drÀngte sich mir dabei allerdings auf, aber nicht oder
noch nicht in der Grobheit, mit der Sie es darstellten, offenbar nur zu dem
Zweck, um mich wieder einmal anfahren zu können, weil Ihnen das Freude
macht. Mögen Sie die Freude haben! Mein Gedanke aber war der: ZunÀchst
ist Klamm offenbar die Veranlassung der Heirat. Ohne Klamm wÀren Sie
nicht unglĂŒcklich gewesen, nicht untĂ€tig im VorgĂ€rtchen gesessen, ohne
Klamm hÀtte Sie Hans dort nicht gesehen, ohne Ihre Traurigkeit hÀtte der
schĂŒchterne Hans Sie nie anzusprechen gewagt, ohne Klamm hĂ€tten Sie sich
nie mit Hans in TrÀnen gefunden, ohne Klamm hÀtte der alte, gute Onkel-
Gastwirt niemals Hans und Sie dort friedlich beisammen gesehen, ohne
Klamm wĂ€ren Sie nicht gleichgĂŒltig gegen das Leben gewesen, hĂ€tten also
Hans nicht geheiratet. Nun, in dem allen ist doch schon genug Klamm, sollte
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik