Page - 226 - in Das Schloss
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bewegen können, ihren Posten aufzugeben, sie saà dort im Ausschank wie die
Spinne im Netz, hatte ĂŒberall ihre FĂ€den, die nur sie kannte; sie gegen ihren
Willen auszuheben, wÀre ganz unmöglich gewesen, nur Liebe zu einem
Niedrigen, also etwas, was sich mit ihrer Stellung nicht vertrug, konnte sie
von ihrem Platze treiben. Und Pepi? Hatte sie denn jemals daran gedacht, die
Stelle fĂŒr sich zu gewinnen? Sie war ZimmermĂ€dchen, hatte eine
unbedeutende, wenig aussichtsreiche Stelle, TrĂ€ume von groĂer Zukunft hatte
sie wie jedes MÀdchen, TrÀume kann man sich nicht verbieten, aber ernstlich
dachte sie nicht an ein Weiterkommen, sie hatte sich mit dem Erreichten
abgefunden. Und nun verschwand Frieda plötzlich aus dem Ausschank, es
war so plötzlich gekommen, daà der Wirt nicht gleich einen passenden Ersatz
zur Hand hatte, er suchte und sein Blick fiel auf Pepi, die sich freilich
entsprechend vorgedrÀngt hatte. In jener Zeit liebte sie K., wie sie noch nie
jemanden geliebt hatte; sie war monatelang unten in ihrer winzigen, dunklen
Kammer gesessen und war vorbereitet, dort Jahre und, ungĂŒnstigenfalls, ihr
ganzes Leben unbeachtet zu verbringen, und nun war plötzlich K. erschienen,
ein Held, ein MĂ€dchenbefreier, und hatte ihr den Weg nach oben frei gemacht.
Er wuĂte allerdings nichts von ihr, hatte es nicht ihretwegen getan, aber das
verschlug ihrer Dankbarkeit nichts, in der Nacht, die ihrer Anstellung
vorherging â die Anstellung war noch unsicher, aber doch schon sehr
wahrscheinlich -, verbrachte sie Stunden damit, mit ihm zu sprechen, ihm
ihren Dank ins Ohr zu flĂŒstern. Und es erhöhte noch seine Tat in ihren Augen,
daĂ es gerade Frieda war, deren Last er auf sich genommen hatte; etwas
unbegreiflich Selbstloses lag darin, daĂ er, um Pepi hervorzuholen, Frieda zu
seiner Geliebten machte, Frieda, ein unhĂŒbsches, Ă€ltliches, mageres MĂ€dchen
mit kurzem, schĂŒtterem Haar, ĂŒberdies ein hinterhĂ€ltiges MĂ€dchen, das immer
irgendwelche Geheimnisse hat, was ja wohl mit ihrem Aussehen
zusammenhÀngt; ist am Gesicht und Körper die JÀmmerlichkeit zweifellos,
muĂ sie doch wenigstens andere Geheimnisse haben, die niemand nachprĂŒfen
kann, etwa ihr angebliches VerhÀltnis zu Klamm. Und selbst solche Gedanken
waren Pepi damals gekommen: Ist es möglich, daà K. wirklich Frieda liebt,
tÀuscht er sich nicht oder tÀuscht er vielleicht gar nur Frieda, und wird
vielleicht das einzige Ergebnis alles dessen doch nur Pepis Aufstieg sein, und
wird dann K. den Irrtum merken oder ihn nicht mehr verbergen wollen und
nicht mehr Frieda, sondern nur Pepi sehen, was gar keine irrsinnige
Einbildung Pepis sein muĂte, denn mit Frieda konnte sie es als MĂ€dchen
gegen MĂ€dchen sehr wohl aufnehmen, was niemand leugnen wird, und es war
doch auch vor allem Friedas Stellung gewesen und der Glanz, den Frieda ihr
zu geben verstanden hatte, von welchem K. im Augenblick geblendet worden
war. Und da hatte nun Pepi davon getrÀumt, K. werde, wenn sie die Stellung
habe, bittend zu ihr kommen, und sie werde nun die Wahl haben, entweder K.
zu erhören und die Stelle zu verlieren oder ihn abzuweisen und weiter zu
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik