Page - 133 - in Das Schwarze Wien - Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
Image of the Page - 133 -
Text of the Page - 133 -
Siedlungsbau im Ständestaat | 133
Baustoffanstalt fast nur noch die konservative Genossenschaft Heim537 am Siedlungsbau in
Wien beteiligen.538
1935 ging Alexander Mahr dazu über, sein Stadtrandsiedlungskonzept mit den ameri-
kanischen fordistischen Siedlungsanlagen von Henry Ford und Franklin D. Roosevelt zu
vergleichen. Weiters nahm er die Teilerwerbssiedlungen in Deutschland und die Indust-
riearbeiterInnensiedlungen in England als Epigonen der Krisenintervention und Lebens-
sicherung wahr.539 Die Siedlungsbewirtschaftung der Einzelparzellen durch Viehhaltung
und Gemüseanbau wurde von ihm als Grundlage der Eigenversorgung verstanden.540
Qualitäts-Obstkulturen sollten zusätzliches Einkommen für die SiedlerInnen schaffen.541
Auch für den Hausbau hatte Mahr neue Ideen. Für Spezialarbeiten sollten arbeitslose
Bauarbeiter im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes herangezogen werden. Die Zuwei-
sung einer Siedlerstelle sollte gleichzeitig die Streichung der Arbeitslosenunterstützung
nach sich ziehen.542
Daneben existierten noch andere Konzepte zur Durchführung des Arbeitsbeschaffungs-
programmes durch die Errichtung von Nebenerwerbssiedlungen sowie Wochenend- und
Ferienhauskolonien,543 beispielsweise die 1935 unter dem Protektorat des dem Regime
nahe stehenden Vereins Der Blaue Adler gegründete Siedlungs- und Tauschgemeinschaft
Baugenossenschaft mbH (SILGE).544
Ab 1936 änderte sich die Linie des Siedlungsbaus im konservativen Lager vehement.
Die Gelder für Nebenerwerbssiedlungen sollten zugunsten einer Reagrarisierung zur
Schaffung von Dauerexistenzen für Vollerwerbssiedlungen aufgewendet werden. Nach dem
537 In der von der christlichen Genossenschaft Heim erstellten Siedlung Starchant wurde mittels unterschiedlicher Hausty-
pen ein individualisiertes Aussehen der Häuser angestrebt. Zentrum der Siedlung war eine Kirche, vgl.: Novy, Förster,
Einfach bauen, 1991, S. 153. Ihr Obmann Franz Ullreich war als ehemaliger christlichsozialer Gemeinderat bestens ver-
netzt. Im Ständestaat bekleidete er die Position eines Mitgliedes im Verwaltungsausschuss des Bundesministeriums,
vgl.: Posch, Gartenstadtbewegung, 1981, S. 91, 96. Die Genossenschaft baute 1933 bis 1935 in Wien-Schwarzlackenau
20 Randsiedlungshäuser der Randsiedlungsaktion I und 2 Häuser der Randsiedlungsaktion II unter Heranziehung des
Freiwilligen Arbeitsdienstes. Zweitere waren mit 2 Zimmern und diversen Nebenräumen relativ großzügig ausgestaltet,
vgl.: Josef Knakal, 25 Jahre Baugenossenschaft Heim – Ein Tätigkeitsbericht anlässlich der Vollendung des 25. Be-
standsjahrs der „Gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Heim, Wien, 1937, S. 23.
538 Novy, Förster, Einfach bauen, 1991, S. 103 f.
539 Alexander Mahr, Nebenberufssiedlungen – Wirtschaftliche Grundlagen und Finanzierung, Schriftenreihe des „Blauen
Adler“, Nr. 2, Wien – Leipzig, 1935, S. 13 f.
540 Ebd., S. 41.
541 Ebd., S. 44.
542 Ebd., S. 69 f.
543 Richtlinien für die Geschäftsführung, S. 1, in: AdR Sonderarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/1294.
544 Kriehuber der Sektionschef der Siedlungssektion, lehnte sich mit seinen Konzepten an Alexander Mahr an. Ziel war
dabei die Propagierung der Nebenberufssiedlungsidee, vgl.: Der „Blaue Adler“ – Verband zur Bekämpfung der Arbeits-
losigkeit (Hg.), Mitteilungen des „Blauen Adler“ – Des „Blauen Adler“ Ziele und Wege (Erster Tätigkeitsbericht), Jg. 1,
Nr. 1, Wien, 1935, S. 35 f. Die finanziellen Mittel sollten zum überwiegenden Teil aus den Beiträgen der Mitglieder luk-
riert werden, vgl.: Satzung (Genossenschaftsvertrag), S. 1, in: AdR Sonderarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/1294.
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918