Page - 155 - in Das Schwarze Wien - Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
Image of the Page - 155 -
Text of the Page - 155 -
Siedlungsbau im Ständestaat | 155
schieden sich jedoch vehement von diesen Reihenhaustypen. Entwurfsaufgabe des Wett-
bewerbes war ein Kernhaus mit 26 m² Wohnfläche für drei Personen. Dieses sollte bis zu
einer Größe von sechs Personen erweiterbar sein. Bei der Wahl des Baumaterials wurde
darauf geachtet, dass es für ungelernte Arbeitskräfte bearbeitbar blieb, um das nicht unter-
kellerte Haus ohne Gas- und Wasseranschlüsse und den Stall auf einer Grundfläche von
2.500 m² errichten zu können. Dabei durften Gesamtkosten von öS 5.500, öS 1.350 für
Arbeit und Leistung und öS 4.150 für den Bau nicht überschritten werden. Die Entwürfe
der Architekten Josef Proksch, Josef Heinisch und Franz Kuhn, allesamt Doppelhäuser,
wurden prämiert.669
Das erste Stadtrandsiedlungsprojekt in Leopoldau wich 1932 von den vorhergehenden
Wiener Siedlungsphasen weitgehend ab. Das Grundstück wurde von 200 m² auf 2.000 m²
angehoben. Damit wurde die Idee der Reihenhaussiedlung obsolet und trat hinter die
Selbstversorgungsidee zurück. Die Anordnung der Parzellen sowie Doppelhäuser wurde
rasterförmig und an Hauptstraßen liegend durchgeführt. Zusätzlich wurde ein durch die
Gemeinwirtschaftliche Siedlungs- und Baustoffanstalt, genauer von Architekt Richard Bauer,
entworfenes Kernhaus mit normierten Teilen gebaut, um die Kosten weiter zu minimie-
ren. Statt einem Siedlungshaus der alten Bauweise oder einer Wohnung im städtischen
Wohnhaus konnten nun drei Kernhäuser errichtet werden. Gleichzeitig fehlte es jedoch
an den finanziellen Mitteln, eine Siedlungsinfrastruktur für das soziale Miteinander zu
errichten.670
Die Häuser der Stadtrandsiedlung Leopoldau waren aufgrund der geringen finanziellen
Mittel so klein als möglich geplant, um mehr Geld für die Wirtschaftseinrichtung der
Gärten zur Verfügung zu haben. Die Größe der Wohnküche betrug 10,5 m² und die des
Schlafraumes 9,5 m². Der Dachboden hatte ein Ausmaß von 20 m². Die Häuser hatten
einen gedeckten Vorplatz von 4 m² und einen Kleintierstall von 10 m².671 Die Umfassungs-
mauern wurden aus Hohlziegeln, bestehend auf einem Betonfundament, ausgeführt. Der
einfache Kehlbalkendachstuhl und die Decke waren aus Holz, der Fußboden aus Beton
und der Stall eine holzverschalte Riegelwandkonstruktion.672
Die Haustypen der Nebenerwerbssiedlungen im Dollfuß-/Schuschnigg-Regime bestan-
den allesamt aus einem Zimmer und einer Wohnküche einschließlich Vorraum, alles in
Ziegelbauweise ausgeführt. Angeschlossen waren aus Holz konstruierte Wirtschaftsräume
wie eine Wasch- und Futterküche, ein Stall für Kleintiere und ein Keller. Der über eine
Holzstiege erreichbare Dachboden konnte zum Schlafraum umfunktioniert werden. Zur
Ausstattung der Siedlerstellen gehörten eine betonierte Kompostanlage, ein Abort und
669 Wettbewerb der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs und des Österreichischen Werkbundes für Entwürfe
von Siedlungshäusern, in: Bundesministerium für Handel und Verkehr (Hg.), Der Siedler, 1934, S. 36.
670 Novy, Förster, Einfach bauen, 1991, S. 33.
671 Ausgeführte Siedlungen – Stadtrandsiedlung Leopoldau (Wien) von Philipp Knab und Architekt Richard Bauer, in: Bun-
desministerium für Handel und Verkehr (Hg.), Der Siedler, 1934, S. 36.
672 Weihsmann, Das Rote Wien, 2002, S. 109.
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918