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Siedlungsbau im Ständestaat | 159
Bauweise“ des Wohnungsbaus sollte es ermöglichen, Häuser zu „gestalten, die gemütlich
und behaglich sind, Heime, in denen man sich wohlfühlen kann.“ Ziel des Wettbewerbes
war es, „das alte Bürgerhaus wieder zum Leben zu erwecken“.685 Es verwundert daher
nicht, dass moderne Stilmittel wie Glasflächen und Flachdächer, die beispielsweise die
Wiener Werkbundsiedlung geprägt hatten, als „von jüdischem Geist angekränkelte
Bauschöpfungen“686 abgelehnt wurden.687 Trotzdem dominiert ein strenger sachlicher Stil
mit architektonischen Elementen des städtischen Hausbaus wie etwa französischen Fens-
tern und asymmetrischen Satteldächern die Häuser der Siedlung.688 Von der taylorisierten
Aufteilung der Räume und der stilistischen Sachlichkeit der Fassaden waren die Häuser
eher vergleichbar mit dem Baustil der durch den Assanierungsfonds unterstützten Klein-
häuser sowie der durch die Bundesregierung ab 1937 geförderten Eigentumshäuser.
Die Grundfläche der einzelnen, zweigeschossigen Wohneinheiten betrug zwischen 50
und 60 m² und war damit eindeutig größer als die der Kernhäuser der Stadtrandsiedlungen.
Bei allen ausgeführten Häusern waren im Erdgeschoss die Küche, das Esszimmer und das
Wohnzimmer in getrennten Räumen untergebracht. Die Küche lag mit dem Vorzimmer,
WC und Stiegenaufgang im Norden des Grundrisses, Esszimmer und Wohnzimmer
zeigten ausschließlich nach Süden. Die oberen Räume waren für südlich gelegene Schlaf-
zimmer und Schlafräume reserviert. Im Norden des ersten Stockes lag wahlweise ein
Arbeitsraum, ein nicht näher bezeichnetes Zimmer und ein Bad bzw. eine Dusche. Einige
der Häuser waren unterkellert.
Die größere Type A der Architekten Winkler und Kraft war als zweigeschossiges
Doppelwohnhaus konzipiert. Wie an den meisten Häuseren der Siedlung wurden Erker
mit französischen Fenstern ausgeführt. Die Architektengemeinschaft Adolf Paar und Hans
Paar sowie der Architekt Anton Hoch errichteten 1936/37 jeweils ein alleinstehendes
zweigeschossiges Einfamilienhaus. Eine Besonderheit stellt das vom Architekten Theodor
Schöll errichtete ebenerdige Einfamilienhaus auf einer Grundfläche von 83 m² dar. Er
richtete Zimmer, Schlafraum und Essnische nach Süden aus, Küche, Bad und Arbeitszim-
mer nach Norden. Ein zentral gelegener Vorraum, der durch einen westlich gelegenen
Windfang betreten werden konnte, diente als Verteiler in alle Räume.689
Die EigentümerInnen der von der Bausparkasse Wüstenrot errichteten Häuser wurden
nach Fertigstellung der Eigenheimsiedlung Bierhäuselberg verpflichtet, individuelle Haus-
zeichen, also Kunst am Bau, an ihren Plansiedlungshäusern anzubringen. Dafür wurde 1937
sogar eigens ein Wettbewerb veranstaltet.690 Was der Ständestaat im Großen versuchte,
685 Ponholzer, Mustersiedlung, in: Das Wüstenroter Eigenheim, Jg. 1935, Mai, Salzburg, S. 137.
686 Otto Kampmüller, Auf dem Weg zur Plansiedlung – Wüstenroter Siedlungsarbeit in der Ostmark, in: Das Wüstenroter
Eigenheim, Jg. 1938, Nr. 8/9, Salzburg, S. 220
687 Meder, Offene Welten, 2003, Dissertation, S. 550 f.
688 Mayr, Mustersiedlung, in: Nierhaus, Orosz (Hg.), Werkbundsiedlung, 2013, Ausstellungskatalog, S. 255.
689 Die Wüstenroter Bierhäuselberg-Siedlung, in: Das Wüstenroter Eigenheim, Jg. 1937, Juli/August, Salzburg, S. 122–125,
S. 237–241.
690 Dabei wurde mit verschiedensten Techniken experimentiert: Steinmetzarbeiten, gebrannter Ton, Terrakotta, glasierte
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918