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164 | Wien im Ständestaat
Ständestaats weitgehend zurückgenommen und durch ein flaches Walm- oder Zeltdach
ersetzt.694
Durch die Errichtung dieser mehrgeschossigen Kuben konnte die Wiener Bauordnung
von 1930 für den Mehrfamilienhausbau auf einfachste Art umgesetzt werden. Zusätzlich
war eine intensive Ausnutzung auch kleiner Grundstücke gegeben.695 Die sachlichen
Fassadenlösungen dieser oftmals durch Baumeister und nicht durch Architekten erbauten
Häuser sind sehr schlicht. Wenige der Objekte durchbrechen die Fassadengestaltung
mittels Balkonen, Erker oder Terrassenanbauten.
2.3.3.5 Stil der Siedlung Hasenleitengasse
Die Siedlung Hasenleitengasse stellt die einzige größere Reihenhausverbauung des Stän-
destaates in Wien dar. Sie wurde im Zuge des internationalen Diskurses zur Elendsviertel-
und Kriegsbarackensanierung projektiert. An Stelle der ehemaligen Lazarettbaracken696
sollten in mehreren Etappen insgesamt dreißig Baublocks mit 1.200 Wohnungen entste-
hen.697 Die Größen der in den ersten sechs Wohnblocks aufgeteilten 421 Kleinwohnungen
wurden wie im Mietshaus- und Kommunalbau mit 23, 29 und 35 m² veranschlagt. Das
Stadtbauamt konzipierte im autoritären Ständestaat den Löwenanteil der bis 1940 erstellten
564 Wohnungen. Unter NS-Verwaltung wurden die Wohnungsgrößen auf 46, 53, und
56 m² angehoben und damit deutlich vergrößert.698
Die mehrstöckigen Gebäude erinnern an eine Mischung aus kommunalem Wohnbau,
Gartenstadt und NS-Volkswohnungsbau. Obwohl versucht wurde, die Ähnlichkeit mit
Siedlungen des Roten Wien weitgehend zu vermeiden, ist ein Vergleich möglich. In den
als Zeilen- und Blockrandbebauung ausgeführten Wohnhäusern wurden auch kommunale
Einrichtungen geplant, in diesem speziellen Fall die Errichtung eines Klosters699 als religi-
öse Infrastruktur. Interessant erscheint ebenfalls das Zentrum der Siedlung, der 1937 um
die ehemalige Barackenkirche errichtete Albin-Hirsch-Platz, der konform ständestaatlicher
Ideologie die Kirche in den Mittelpunkt der Großverbauung rückte.700
Die schlicht-sachliche Ausführung der Fassaden wurde ohne Dekor oder Balkone
bewerkstelligt. Nur die Anordnung der Sprossenfenster und der versetzten Stiegenhäuser
gliedern die zwei- bis dreigeschossigen Gebäude um den Albin-Hirsch-Platz. Breite
monumental anmutende Durchgänge mit runden Säulen führen in die Höfe der weit-
läufigen Siedlung.
694 Meder, Offene Welten, 2003, Dissertation, S. 547.
695 Leicht zu sehen beim Haus XIII., Zichygasse 3, das gleich mehrere Wohnungen übereinander vereint. Das schmale
Grundstück und die Höhe des Hauses zeigen die besondere Raumausnutzung.
696 Die Baracken mit je drei hintereinander angeordneten Wohneinheiten waren rund 80 m lang und 13 m breit, vgl.: Stadt
Wien – Wiener Wohnen (Hg.), Gemeinde baut. Wiener Wohnbau 1920 bis 2020, Wien, 2014, S. 24.
697 Ebd., S. 26.
698 Weihsmann, Bauen unterm Hakenkreuz, 1998, S. 1042 f.
699 Das Kloster wurde nach dem Anschluss in eine Schule sowie einen Kindergarten umgebaut.
700 Weihsmann, Das Rote Wien, 2002, S. 271.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918