Page - 169 - in Das Schwarze Wien - Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
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Denkmal-, Kirchen- und Verwaltungsbau im Ständestaat | 169
2.4.1.1 Denkmäler der Vaterländischen Front
Die Stilisierung des 1934 ermordeten Engelbert Dollfuß zu einem Helden- und Märtyrer-
kanzler und in weiterer Folge zu einem Heiligen war zentraler Punkt der Österreich-Ideologie.
Die Mythisierung seiner Person als Sinnbild einer neuen Gesellschaftsordnung schlug sich
in der verstärkten Ausgestaltung der Stadt mittels profaner und religiöser Denkmäler,
Büsten und Gedenktafeln nieder.722 Ein sprunghafter Anstieg der nach Dollfuß benannten
Straßen und Plätze um 1934 sowie die Aufstellung von rund 58 Dollfuß-Denkmälern bis
1936 verdeutlichen die forcierte Umgestaltung der republikanischen Erinnerungspolitik
durch den Ständestaat.723
Die Überwachung der Aufstellung von Dollfuß-Denkmälern sowie deren Durchführung
und die künstlerische Bewertung waren zentral dem Kulturreferat des Regimes unterstellt.724
Während kleine Denkmalprojekte unbürokratisch errichtet werden konnten, scheiterten
große Projekte fast durchwegs an der Einigungsfähigkeit der Vaterländischen Front über
deren Ausgestaltung, Ausführung und Aufstellungsorte. Die schnelle Aufbringung der
nötigen finanziellen Mittel für großangelegte Denkmäler stellte aufgrund von propagan-
distisch unterstützten Spendenaktionen meist kein Problem dar.725
Vor allem die enge Verwobenheit der Kirche mit dem Dollfuß-/Schuschnigg-Regime
schlug sich in der Errichtung von Dollfuß-Denkmälern in Form seines Namenspatrons,
des Bischofs St. Engelbert, nieder. Wichtigstes Denkmal in Wien war das 1936 am stän-
destaatlichen Prestigeobjekt Wiener Höhenstraße errichtete Denkmal zur Erinnerung an
den Spatenstich durch Dollfuß. Zur Ausführung kam der Siegerentwurf eines 1935 durch-
geführten Wettbewerbes von Architekt Alexander Popp und Bildhauer Rudolf Schmidt.726
1936 wurde in der Marienkapelle der Michaelerkirche in Wien ein schon nach einem fehl-
geschlagenen Attentat projektiertes Relief ausgeführt. Es stellt einen betenden Dollfuß
dar und ist noch heute erhalten.
Schon kurz nach der Ermordung Dollfuß’ gipfelte die am 31. Juli 1934 an die Vaterlän-
dische Front übermittelte Idee des Architekten Fritz Neumeier zur Errichtung eines Denk-
mals am Ballhausplatz in die Planung für ein monumentales Dollfuß-Nationaldenkmal.
Dieses sollte die österreichische Nation und den neuen Staat versinnbildlichen.727 Im Herbst
1934 wurde dafür eigens ein Dollfuß-Denkmal-Referat gegründet, dem neben den Spitzen
der Regierung Schuschnigg und Starhemberg, Kardinal Innitzer und einigen Ministern,
die Künstler und Architekten Max Fellerer, Karl Holey, Alfred Keller, Rudolf Kloss, Josef
Müllner, Johann Popp und Michael Powolny angehörten. Die Mitglieder des Referates
722 Vasak, Kulturpolitik, 1996, Diplomarbeit, S. 11 f.
723 Sillaber, Straßennamen, in: Riesenfellner (Hg.), Steinernes Bewußtsein I, 1998, S. 588.
724 Vasak, Kulturpolitik, 1996, Diplomarbeit, S. 12 f.
725 Grassegger, Denkmäler, in: Riesenfellner (Hg.), Steinernes Bewußtsein I, 1998, S. 503.
726 Ebd., S. 508 f.
727 Ebd., S. 512 f.
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Title
- Das Schwarze Wien
- Subtitle
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Author
- Andreas Suttner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 296
- Categories
- Geschichte Nach 1918