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30 GLAUBE UND ABERGLAUBE
gschwind aufsten eindrücklich belegt, das uns dieselbe Salzburger Liederhandschrift in
einersiebenstrophigenFassungerstmals textuellüberliefert:13
1
Libl solstgschwindaufsten
wasdenday,
michwundertsdast schlofamagst
ihschlaf schay,
Gehmitmiraufdieweit
schauwas rMusigeit
ist so lichtwieBeinTag,
waswädas. 2
DieMusigwert schonlang
ichhernichts,
ThragdeyBfeifähmitdir
Binschonkhricht,
dEngldient singäobm
esseyähkhindgeborn
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daswäRä.
3
Ineinstall ligtdaskhind
werhatsgsagt,
ichhabvoneinEngelkert
hastdungfragt,
EinJungfraukheischundrein
dassolldiemuetersein,
dortwodersternbrint
ligtdaskhind 4
Wölln ihmeinopferdragn
ist schonRecht,
Wanärepä eischwilthabn
wanäsmecht,
sie seindsofollernot
undistderwahregot
hambtgakhaywiegelnit
Loigdonit.14
1,1 Libl]Kurzform fürPhilipp1,2 day] tun 1,5 geit]gibt 2,1 gwert]dauert 2,3 äh]auch 2,5 dient] tun 2,8 Rä]
rar, etwasBesonderes3,3 kert]gehört4,4 äs]eres4,8 loig] lüge
DurchdieErweiterungdesFigureninventarskonntendialogischeHirtenliederdenCha-
rakter kleiner dramatischer Szenen gewinnen, die wohl auch dementsprechend mi-
misch-gestisch umgesetzt wurden. Dass so populäre Lieder wie Herr und Gott ist das
ä Sach auch im dramatischen Kontext auftauchen, so etwa als Teil eines im steirischen
Vordernberg 1740 belegten (von Weinhold sogar dem 15. oder 16. Jahrhundert zuge-
ordneten) Weihnachtsspiels, kann also nicht verwundern.15 Gattungsgenetisch freilich
ist schwer zu bestimmen, was denn nun am Anfang der Entwicklung stand: das Weih-
nachtsspiel, aus dem besonders beliebte gesungene Teile ausgekoppelt werden konnten,
oderdasWeihnachtslied,dasübervermehrteSprecherwechselundgesprocheneAnteile
zur dramatischen Form erweitert wurde. Von Dilettanten zunächst in kirchlichen oder
öffentlichen Räumen, dann auch in Privathäusern als Stubenspiele` zumeist ohne nen-
nenswerte theatrale Mittel aufgeführt, weisen szenische Darstellungen um das Wunder
derInkarnationGottes imdeutschenSprachraumeinebeeindruckendeTraditionauf.16
13 Das auffallend weitverbreitete Lied kursierte auch unter dem abgeänderten Incipit Stachal sollst g'schwind
aufstöä, vgl. etwa einen undatierten Druck aus dem späten 18. Jahrhundert: Zwei schöne Krippel-Lieder
[o.O.,o.J.].
14 UniversitätsbibliothekSalzburg,MI365, f. 104v 105v.
15 Vgl.Weinhold,Weihnacht-SpieleundLieder,S.134,162f.
16 Vgl. u.a. Leopold Schmidt: Formprobleme der deutschen Weihnachtsspiele. Emsdetten: Lechte 1937.
Dorette Krieger: Die mittelalterlichen deutschsprachigen Spiele und Spielszenen des Weihnachtsstoffkrei-
ses. Frankfurt/Main [u.a.]: Lang 1990. (Bochumer Schriften zur deutschen Literatur 15) Karl Konrad
Polheim: Studien zum Volksschauspiel und mittelalterlichen Drama. Mit einer Fotodokumentation. Pa-
derborn [u.a.]: Schöningh 2002. (Volksschauspiele 5) Ursula Schulze: Geistliche Spiele im Mittelalter
und in der Frühen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum geistlichen Schauspiel. Eine Einführung. Ber-
lin:ErichSchmidt2012,S.70 77.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen