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MEDIALE SCHLACHTEN UND DIE
WAHRHEIT` DER PROPAGANDA 131
sischen Verbänden unterstützten Truppen nach Oberösterreich vorstieß, dann weiter
nach Prag, wo er sich von den böhmischen Ständen zum König krönen ließ. Anfang
1742 wurde er in Frankfurt zum Kaiser Karl VII. gewählt und von seinem Bruder, dem
ErzbischofvonKöln,alsersternicht-habsburgischerKaiser seit fast300Jahrengekrönt.
Inzwischen aber hatten die Österreicher mit Hilfe der Ungarn zum Gegenschlag ange-
setzt und München eingenommen; Prag konnte wieder entsetzt, in Italien die Spanier
mit Unterstützung Großbritanniens besiegt werden. Angriffe der Preußen ermöglich-
ten es bayrischen und französischen Truppen allerdings, Bayern zurückzuerobern. Als
Karl VII. 1745 starb, schloss sein Sohn Maximilian III. mit Maria Theresia den Frieden
vonFüssen, indemerzusicherte, ihrenEhemannFranzStephanvonLothringenbeider
Kaiserwahlzuunterstützen.
In diesen ersten Jahren des Kriegs um die Habsburgische Erbfolge zwischen Bayern
und Österreich begegnen uns dialektale Lieder in Flugschriften beider Seiten, in denen
die jeweils eigene Position oft gegen den eigentlichen Kriegsverlauf als günstig dar-
gestellt,SolidaritätbeschworenunddieFeindemitHohnüberschüttetwerden.Deutlich
wird dabei stets, wie Dialekt dazu dienen soll, eine manipulative Perspektive
von un-
ten` zu ngieren, um an die Befürchtungen der Bevölkerung direkt anzuschließen und
Zuversicht zu verbreiten. In dem österreichischen Lied GOtt grüß di mein Fräntzel
entstanden offensichtlich im Sommer 1741 berichtet etwa ein Bauer einem anderen
besorgt, dass ein großes bayerisches Heer ins
Ober-Land einrücke; der andere versi-
chert aber, dass die eigenen Truppen dem Feind
den Böltz präf außstauben werden,
undweiter:
6
DieUngarnmeinFräntzldierichtensichschon,
wolln ihmentgegenschickenbeyzwölf tausendMann,
siewurdendemBayrfürst schickäsohaim,
daßernichts thätals enäundwain.
7
UnsergnädigsteKöniginwirdänit schweigen,
eswirddirdenBayrfürstenstattläaufreiben,
sobaldderBayr insLandhereinruckt,
so treibn ihmTyroler insBayrnzuruck.67
7,1 änit]auchnicht7,2 es] sie (hier:Personalpronomender3.Pers.Sing.Fem.) stattlä]gründlich
Lieder wie dieses sollten dem kleinen Mann` in seinem eigenen Idiom Vertrauen in
dieRegierunggeben,berechtigteoderunberechtigteÄngstenehmen,Gerüchtedemen-
tieren und vorweg verhindern, dass man sich mit den Besatzern arrangierte. Identi -
67 Vier schöne Neue Lieder, Das Erste: GOtt grüß die mein Fräntzel, etc. Das Anderte: Jackerl den Winter
ists trauriggewesen,etc.DasDritte:AchhörtwervorderThür,etc.DasVierdte:OHeiliger Johann,Welt-
kündig ist dein Nahm, etc. Gedruckt in diesem Jahr. [o.O., o.J.]. Nach einer anderen Quelle erstmals ab-
gedruckt in Anton Schlossar: Deutsche Volkslieder aus Steiermark. Zugleich Beiträge zur Kenntniß der
Mundart und der Volkspoesie auf bairisch-österreichischem Sprachgebiete mit Einleitung, Anmerkungen
undausgewähltenMelodienherausgegeben. Innsbruck:Wagner1881,S.286f.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen