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142 KRIEG UND FRIEDEN
der patriotische Appell an die Staatsbürgerp icht bereits der Sorge um die ländliche
Bevölkerung gewichen, deren wirtschaftliche Nöte in Kriegszeiten wahrheitsgetreu ge-
schildertwerden.90
BayerischerErbfolgekrieg(1778/1779)
Nicht immer aber ist es eine eindeutige Botschaft, die in den Texten propagiert werden
soll. Zum Bayerischen Erbfolgekrieg ist eine mehrteilige Propagandaschrift91 erhalten,
die sich als Gespräch zwischen einem Böhmen, einem Schlesier, einem Sachsen und ei-
nem Bayern (nur dieser spricht verhältnismäßig authentisch Dialekt) gibt und in
dem die Positionen der verschiedenen am Kon ikt beteiligten Parteien gegeneinander
abgewogen werden: Als zu Jahresende 1777 durch den Tod des Kurfürsten Maximi-
lian III. Joseph die bayerische Linie der Wittelsbacher ausstirbt, erhoben die Österrei-
cher Anspruch auf Niederbayern und die Oberpfalz und marschierten im Land ein,
woraufhinPreußenÖsterreichdenKriegerklärte.
Politisch bezieht der Autor der Schrift in dieser Lage keine klare Position, was auch
durch die Form des Gesprächs zwischen verschiedenen Figuren ermöglicht wird: Er
sprichtdemneuenLandesherrnKarlTheodorvonPfalz-SulzbachEngagementundgu-
ten Willen nicht ab, ndet jedoch auch für Kaiser Joseph, der durch seinen Einmarsch
in Bayern den Krieg heraufbeschwor, verständnisvolle Worte. Man hoffte offensichtlich
noch auf eine gütliche Einigung, bei der Bayern ungeteilt blieb, ob unter pfälzischer,
preußischer oder österreichischer Herrschaft. Die bedauerlichen Zeitumstände werden
deswegen weniger durch aktuelle Geschehnisse begründet als mit Topoi der Gesell-
schaftskritik und abergläubischen Vorstellungen. Zentrales Thema, auf das mehrfach
Bezuggenommenwird, istdieunsichereInformationslage.ZumeinenwirdvondenFi-
guren betont, selbst nur Wahres kundzutun so verspricht der Sachse,
die wichtigsten
Neuigkeiten mit Wahrheitsgrunde 92 erzählen zu können, und ist bestrebt, im Gegen-
zugauchvondenanderen
wasNeuesundGründlicheszuvernehmen 93.Zumanderen
kommtimmerwiederzurSprache,dassdieGlaubwürdigkeitderAuskünfteundQuellen
nichtgesichert sei.HinsichtlichdeserhofftenbaldigenFriedensscheintdieLageschwer
einschätzbar, da vielfach Auskünfte nur mittelbar über Berichte Dritter zu erlangen
sind und fragwürdig ist, welche Schlüsse sich aus dem, was sich in Erfahrung bringen
lässt, ziehen lassenundwelchenHinweisenundBerichtenmantrauendarf.
90 Vgl.Lindemayr,Dialektlieder I,S.46 51.
91 Inder ktivenVorredesinddreiFortsetzungenangekündigt,uns liegenallerdingsnurzweiFolgenvor.Ob
ein dritter Teil nur nicht aufgefunden wurde bzw. nicht überliefert ist oder möglicherweise auch gar nicht
mehrgedrucktwurde, istnichtbekannt.
92 Fortsetzung des kriegerischen Bauerngesprächs zwischen einem Baier, Böhm, Schlesier, und Sachsen, den
dermaligen Kriegslauf betreffend, mit dem Portrait Sr. Majestät des Königs in Preussen. Zweytes Stück a 4
kr.GedrucktbeyChristianLebrecht1779.Zu ndenbeyuns4BauernumbaareBezahlung. f.2r.
93 Ebda.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen