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156 KRIEG UND FRIEDEN
WasLindemayrhier insDramatischeüberträgt, sindArgumentationsstrategien,wiewir
sie auch in zahlreichen Werbeliedern dieser Zeit nden, die gegen den chronischen
Soldatenmangelkünstlerischankämpften.DazuwurdenüblicherweisezweiAspektean-
gesprochen: Zum einen ging es um die Frage, warum es sich lohne, in diesem Krieg
zu kämpfen. Die Wiederholung und Überhöhung von Feindbildern spielte dabei eine
wichtige Rolle, wobei auch eine religiöse Aufladung der Kon ikte offenbar als wirksa-
mes Mittel galt (vgl. die Türkenlieder). Zum anderen wurden in der Bevölkerung die
(angeblichen) sozialen und ökonomischen Vorzüge des Lebens als Soldat propagiert.
Prototypisch für diese Art ist das Lied Lusti Guraschi, das uns in vier verschiedenen
Quellen in jeweils unterschiedlichen Fassungen vorliegt, da es für stets neue Kontexte
neue Kon ikte und andere Feindbilder angepasst wurde. Die wohl bereits zu Beginn
des Spanischen Erbfolgekriegs entstandene Grundform bleibt jedoch immer gleich: Ein
Knecht kündigt einem Bauern seinen Dienst auf, um als Soldat selbst Herr zu werden.
AusschlaggebendistalsodieBefreiungaussozialerAbhängigkeit;mitderAussicht
praf
Beut zu machen, lässt sich idealerweise der Wunsch nach einem freien und selbststän-
digen Leben verwirklichen. Schließlich wird auch an die Abenteuer- und Streitlust der
jungenMännerappelliert:
1
LustiGuraschi,
jetzt istmeinJahrlaus,
BauerrichtLaschi,
undzahlemichaus,
ichdienmeinAichl
keinBaurnnichtmehr,
will einSoldatengebn,
ist jaeinbessersLebn,
undbinaHerr. 2
Allonur lustig,
Baurrichtmirs'Geldauf'nTisch,
ichbinschongiftig,
willswagenfrisch,
undmitdenFranzosen
einsrauffenherum,
gwiß ichSchlägoderGeld
draussen imweitenFeld
zurBeuthbekomm.
3
DanndenFranzosen
scheuichkeinTeufelnicht,
zittern ihmd'Hosen,
wannermichansieht,
wermitGuraschi
wieTeufeldreinhaut,
manweißvorHochstätt schon,
wassiealldortgethan,
werhätsenttraut. 4
DenSpaniolen,
ichschwörbeimeinerTreu,
es sollt ihmholen
derTeufelgleich,
ermußmir tanzen,
alswie ich ihmpfeif,
ichschlag ihm,daßihmgraust,
wannich ihmmitmeinerFaust
einmalergreif.
5
MankenntdieDeutschen,
wassievorBrüderseyn,
wiesiezupeitschen,
undschlagendrein,
soltsauchnichts regnen,
alsFeuerundBley,
stehensiedochmauerfest,
wöhrnsichaufsallerbest,
seyndfrischdarbey. 6
BhütdichGottGredl,
jetztzieh ichschondavon,
giltsdannmeinSchädl,
was ligtsdaran,
willmirdasGlück,
daßichbekommprafBeut,
solstdumeinWeiberl seyn,
undichderRieppeldein,
bisderTodtunsscheidt.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen