Page - 434 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Image of the Page - 434 -
Text of the Page - 434 -
OpenAccess © 2019byBÖHLAUVERLAGGMBH&CO.KG,WIENKÖLNWEIMAR
434 BRAUCHTUM UND GESELLIGKEIT
1
GrüeßdiGottmei liebäGfadä!
LäfdinötvonAden!bait!
Sagmädo,washabtsdenndadä
Bänenkz' Ischl füräGjaid?
Hanschonnächtnd'Glockensurmä,
UnddöBölläkrachäghert;
Heut thainsnovielörgästurmä,
Dennösrigölt si jad'Erd.
[...] 2
Hudri,Gfadä! thuenötsämmä,
zünddägschwinddeinPfeifferl an!
Heutwill insvonArtNiemdgämmä,
Allsamt läft,waskroichäkann.
Kemmäz' spat, sokimstnötz' schmeiß'n,
UndihanmeiLöbtäghert:
NagelnoieStifel z' reiß'n
WärdäSögnallani schonwerth.
6
Los!ös thaint schonindäKihrä
Orgeln,blasn,Bauckenschlag'n;
NimmdenhinternFueäs iezt fürä,
Daßmäd'Prödinodäfrag'n.
Sinst'nmöchtdäSögnnötgelten,
Wannmänöt 'sWortGotteshern,
Unddaswär,meinAid!zumschelten,
ThätmigwismeinLöbtäschern. 7
Chor:
Dortsieh ihnvonweiten,
ÄkreuzbräfaMann.
SeinHerz istvollFreud'n,
Ikenniehmsschonan.
VielGlücksollsenkrögnä
BeymgeistlingäBreat.
Thietsensnäbraf sögnä,
Auf lembdiundtead.59
1,1 Gfadä] Taufpate; häu ger ist die Verwendung als Anredeform gleichrangiger Personen, v.a. der Nach-
barschaft 1,2 bait] warte 1,4 Ischl] Marktgemeinde im Zentralsalzkammergut (heute Bad Ischl) Gjaid] Lärm,
Aufregung,Trubel1,5nächtn]gestern(abends)surmä] sumsen, summen1,6Böllä]GeschützekleinerenKa-
libers fürFestschießen1,7sturmä]Sturmläuten1,8rigölt] rührt,bewegtsich2,1Hudri] (Aufforderung, sich
zu beeilen) Geschwind! 2,3 gämmä] zu Hause bleiben, das Haus hüten 2,4 Allsamt] alles, alles zusammen
2,7 Nagelnoie Stifel z' reiß'n] früher Beleg für den bis heute gebräuchlichen Spruch, der Primizsegen wäre es
wert, ein Paar Schuhsohlen durchzulaufen 6,1 Los] Horch!, gib Acht! ös] sie (hier: Personalpron. 3. Pers. Pl.)
6,3 fürä] nach vor, nach vorne 6,7 mein Aid] bei meinem Eid! 7,6 geistlingä Breat] geistliches Brot, im Sinne
von:geistlicherBeruf
Für Ordenspriester wie Lindemayr war vor der Primiz schon das Ablegen der Gelübde
ein einschneidendes Erlebnis, das in den Klöstern dementsprechend feierlich zelebriert
wurde. Das öffentliche Versprechen eines Novizen, sich an eine Ordensgemeinschaft zu
binden, ist ein ritueller Abschluss des bisherigen weltlichen Lebens. Mit dem Verspre-
chen, die im Matthäusevangelium genannten Ratschläge der Armut, ehelosen Keusch-
heit und des Gehorsams zu beherzigen, weiht er sein neues Leben fortan dem Dienst
an Gott und den Menschen. Diese Gelübdetrias beleuchtet auch ein von Franz Sparry
vertontes Professlied eines unbekannten Autors (der wohl unter seinen Kremsmünste-
rer Mitbrüdern Nonnos Stadler, Johannes Weylgoune oder Theophil von Dückern zu
suchen sein wird). Der Liedanfang hat es in sich: eine literarische Totenbescheinigung
mit dem spröden Vanitas-Trost, dass im Diesseits ohnehin kein Heil zu erwarten und
derExitus folglichdieeinzigrichtigeEntscheidungsei:
59 Lindemayr,Dialektlieder I,S.52und53f.
back to the
book Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen