Page - 454 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Image of the Page - 454 -
Text of the Page - 454 -
OpenAccess © 2019byBÖHLAUVERLAGGMBH&CO.KG,WIENKÖLNWEIMAR
454 BRAUCHTUM UND GESELLIGKEIT
Druck und Schluck (KV 571a), ein weitgehend sinnfreies, beinah dadaistisch anmuten-
des Mischmasch aus italienischen, deutschen und salzburgisch-dialektalen Wendungen
und Satzteilen, deren klangliche Nuancen auf komische Wirkung abzielen. Zur Illustra-
tiondarausdieRolle,die sichMozart selbstzugedachthat:
Caramiabagatellerl,
caramiabagatellerl,
ioparto, turesti, Spitzignas,
ohDio! turesti, Spitzignas,
Chepena!che tormento!
wenn's regn't, ist'snaß.
Quello l'adira,
wirkönnennixdafüra,
wirkönnennixdafüra,
caraCobochti!
pietà,pietà, es ist schonachti,
unpòdicarità,
sonstmachenma... 92
Das Quartett war wie schon Constanze Mozart meinte ein Pendant zum in Mo-
zarts Freundeskreis besonders geschätzten Bandel-Terzett. Diese
typisch wienerische
Miniaturposse 93 entstand aus einer Alltagssituation heraus und gewann ihren Reiz
wie schon das Inhaltsverzeichnis der Oeuvres complettes (1799) hervorhob durch die
bewussteAkzentuierungderNähesprachlichkeit:
Mozart vermisste einst, als er sich sehr schnell ankleiden wollte, ein gewisses Band, und rief da-
her seiner Gattin aus einem Wiener Volksliede im gemeinsten Dialekte zu: Wo ist's Bandel? Sie
antwortete sogleich aus demselben Lied: Drinn im Zimmer u.s.w. Dies gab ihnen und einem
Freunde [Gottfried von Jacquin], der dazu kam, Veranlassung zu einer Schäkerey, und Mozart
sezte sich und schrieb für sich, seine Konstanze und jenen Freund dieses Terzett, das, wenn es
seine komische Wirkung gehörig thun soll, im gemeinsten Wiener Dialekte gesungen werden
muß,denMozartpersi ierenwollteundihndeshalbsoherausgehobenhat.94
AuchhieralsogibteinVolkslied imgemeinstenDialekt`denImpuls füreinegroßartige
Komposition der Elitekunst. Ob dabei tatsächlich der Dialekt selbst persi iert werden
sollte,darfzumindestangezweifeltwerden,weißmandochumdieVorliebedes Musik-
wie Sprachgenies Wolfgang Amadé 95, Sprachmaterial mit all seinen sozio- und re-
giolektalen Färbungen für eine ungemein lebensnahe, spielerisch-kreative Schreibweise
auszureizen.Es istvielmehrdieherausgestellteDiskrepanzzumNormativen,dieerhier
(ebensowieetwainseinenBriefenandasBäsle)96 fürkomische,charakterisierendeoder
92 Mozart,NeueAusgabesämtlicherWerkeIII,Werkgruppe9,S.64 66.
93 Ebda.,S. IX.
94 Ebda.
95 Luc de Grauwe: Wolfgang Amadé Mozart. In: D. Alan Cruse [u.a.]: Lexikologie/Lexicology. Ein interna-
tionales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen. 2. Halbbd. Berlin/New York:
de Gruyter 2005. (HSK 21.2) S.1524 26, hier 1524. Zur Sprache Mozarts vgl. auch Luc de Grauwe: Sie
sehen also, daß ich schreiben kann wie ich will. W. A. Mozart. In: Studia Germanica Gandensia (NF) 24
(1996),H.1,S.223 243. IngoReiffenstein:SprachvariationindenBriefenderFamilieMozart. In:Klaus
Mattheier [u.a.] (Hg.): Vielfalt des Deutschen. Festschrift für Werner Besch. Frankfurt a.M. [u.a.]: Lang
1993,S.361 381.
96 Vgl. JosephHeinzEibl/WalterSenn:MozartsBäsle-Briefe.Kassel [u.a.]:Bärenreiter1978.
back to the
book Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen