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Aberglaube. — Sanitäre Verhältnisse. 55
heidnischen Cultus, die sich erhalten haben. So wird im Liesingthale noch
ab und zu den Leichen Geld auf der Reise ins Jenseits mitgegeben, den
Weibern überdies noch ein Sacktuch, welche Gaben als Sperrgeld für
Petrus an der Himmelspforte dienen sollen. Hausthiere, die das „Umgehende",
eine meist tödtliche Krankheit, bekommen, werden sogleich getödtet und
der Kopf des Thieres über die Stallthüre genagelt. Ein von einem fünf-
jährigen Mädchen gesponnener Faden quer über den Graben gespannt,
wendet die Lahn-(Lawinen)gefahr ab.
Auch an Hexen und Zauberer glaubt das Volk noch fest und steif.
Das große Hagelwetter am 21. August 1890 hätten Hexen gemacht. Dazu
brauchen sie die Wolle der Schafe am Genicke und an den Knöcheln. In
jedem Hagelknollen ist daher ein Wollhaar. Oft verzaubern auch die
Hexen das Vieh, dass es keine Milch gibt, daher setzt der Bauer auf allen
Stallthüren die Anfangsbuchstaben der heil. Dreikönige G. M. B. sowie drei
Kreuze; auch das Schnalzen mit den Peitschen (Hexenschnalzen) vertreibt
die Hexen. Die Thomas-, Christ-, Sylvester- und Dreikönigsnacht sind als
„Lößlnächte" reich an Gebräuchen abergläubischer Vorbedeutung. (Blei-
gießen, Schuhwerfen, Hackbruckenschau'n u. s. f.)
So lebt denn der Glaube an das Walten übernatürlicher Kräfte im
Volke fort und bildet eine Überlieferung, die mit den Lebensverhältnissen
des Bauern so innig verwebt ist, dass man an ihr nicht zu rütteln vermag,
ohne die Grundelemente des Bauernstandes zu erschüttern. Diese Schatten-
gehilde werden erst allmählich von dem Lichte des allgemeinen Culturfort-
schrittes gebannt werden können.
Sanitäre Verhältnisse.
Was die sanitären Verhältnisse Obersteiers betrifft, so sind dieselben
im Vergleiche zu Mittel- und Untersteiermark die weitaus günstigsten,
indem hier schon auf 2295 Einwohner ein Arzt entfällt, während in Mittel-
steier erst auf 2861 E. und in Untersteier sogar erst auf 7248 E. ein
Arzt entfällt. Im ganzen übten 1888 in Obersteier 59 Doctoren der
Medicin und 43 Wundärzte die ärztliche Praxis aus.
Ebenso reich ist die obere Steiermark mit öffentlichen Krankenhans-
anstalten bedacht, indem von den vierzehn öffentlichen Spitälern des Landes
sieben auf Obersteier entfallen. Alle diese unter der Oberaufsicht und
Leitung des Landesausschusses befindlichen Anstalten stehen in jeder
Hinsicht auf der Höhe zeitgemäßer humanitärer und wissenschaftlicher
Anforderungen, und zwar in dem Maße, dass kein anderes Kron-
land Österreichs auch nur annähernd d iesbezüg l i ch
Steiermark gle ichkommt. Die sieben, nahezu durchwegs nach den
neuesten technischen und hygienischen Erfahrungen, meist in den letzten
Jahren erhauten Anstalten haben zusammen einen Normalbelagraum von
rund 900 Betten mit einem durchschnittlichen Luftraum von mindestens
30»23 per Bett und es wurden daselbst 1889 6936 Kranke mit 169.125 Ver-
pflegstagen behandelt, wovon 3096 Kranke auf Rechnung des Landes Steier-
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918