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Sektion I: Themen und Medien der Repräsentation 17
als Fotomontage angefertigt wurden. Die entsprechende Entwicklung ist nicht ohne
die im Jahr 1854 erfolgte Einführung der carte de visite-Fotografie verständlich, die
eine wahre Sucht nach Fotos monarchischer Familien in Europa auslöste. Allerdings
schränkte Kaiserin Elisabeths bekannte Abneigung, bei solchen Gruppenbildern zu
posieren, die Möglichkeiten der Partizipation der habsburgischen Familie an diesem
neuen Trend stark ein, obwohl gerade die Habsburger diese Bildkultur dringend be-
nötigten, um ihr Image in einer politisch instabilen Zeit aufzubessern. Um Elisabeths
notorischer visueller Absenz begegnen zu können, beauftragte der habsburgische Hof
Bilder, die unterschiedliche Fotografien der Familie zu fiktiven composite portraits ver-
einigten. Als Imitate der Formate und der Bildsprache der carte de visite-Studiofoto-
grafie, aber unter Verwendung der Narrative des imperialen und biedermeierlichen
Gruppenporträts offerieren diese Artefakte gleichsam einen gleichermaßen intimen
wie privilegierten Zugang zum persönlichen Leben der Staatslenker, während zur
gleichen Zeit auf der exzeptionellen Stellung der Dynastie beharrt wird. Mit diesem
Paradox von Intimität und Distanz ist ein Grundmerkmal der Inszenierung von hö-
fischer celebrity im 19. Jahrhundert angesprochen. Zugleich offenbart diese Instru-
mentalisierung des traditionellen Typus des Familienbilds in neuem Gewand, dass
gerade die ‚Bildpolitik‘ der habsburgischen Dynastie die Verwandlung überlieferter
Repräsentationsformen in neuer medialer Einkleidung kongenial beherrschte.
Für die Repräsentation durch und in Musik spielen die Gattungen der (höfi-
schen) Oper und der (politischen) Hymne eine wesentliche Rolle. In ihrem Beitrag
Vom patriotischen Volkslied zur nationalen Kaiserhymne thematisiert Andrea Lind-
mayr-Brandl die Entstehung (1796/1797) und weitere Rezeption (vor allem bis
1826) der sogenannten Kaiserhymne Joseph Haydns. Basierend auf der Studie von
Franz Grasberger über die Hymnen Österreichs werden die historischen Motive für
den Auftrag einer ‚Volkshymne‘ nachgezeichnet, die ursprünglich ein Geburtstags-
lied für Kaiser Franz II. (I.) war und auch bei späteren Anlässen noch nicht als offi-
zielles imperiales Symbol fungierte. Aus den spontanen Kundgebungen entwickelte
sich allmählich eine Identität stiftende Hymne im modernen Sinn, so dass hier eine
gewissermaßen logische Entwicklung von Präsenz über Präsentation hin zu Re-Prä-
sentation rekonstruierbar ist. Hier setzt der Beitrag an: Bisher unbeachtete Zeitungs-
berichte lassen die unterschiedlichen Funktionsweisen der Melodie erkennen, vom
patriotischen Lied bis hin zu religiösen Feiern. Nicht zuletzt die verschiedenen Texte
(Kontrafakturen) in den acht offiziellen Sprachen der Monarchie haben zur Identifi-
zierung der Bevölkerung, auch des Militärs, mit der Hymne und – klassisch re-prä-
sentierend auch ohne Präsenz – mit dem/den Monarchen beigetragen.
Worauf im Beitrag nicht näher eingegangen wird, sind die zahllosen Bearbeitun-
gen und Zitate, durch die die Kaiserhymne bis in die Gegenwart rezipiert, aktualisiert
Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur
1618–1918
Representing the Habsburg-Lorraine Dynasty in Music, Visual Media and Architecture
- Title
- Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur
- Subtitle
- 1618–1918
- Editor
- Werner Telesko
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20507-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 448
- Categories
- Geschichte Vor 1918