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dings jedes Jahr dutzende Beiträge zu einzelnen Fragestellungen der Museumskom-
munikation in digitalen Medien.10 In der englischsprachigen Welt stand dabei die
Diskussion über den Computereinsatz in Museen Ende der 1990er Jahre zunächst in
direkter Verbindung mit einer Debatte um die generelle museale Verwendung von
Medien jenseits der tatsächlichen Exponate – was bisweilen dazu führte, dass der
Begriff des ›Mediums‹ in der museumswissenschaftlichen Literatur implizit zum Ge-
genbegriff des ›Exponats‹ wurde. Der Titel des 1998 von Selma Thomas und Ann
Mintz veröffentlichten und seitdem vielzitierten Sammelbandes The Virtual and the
Real. Media in the Museum bildet in diesem Zusammenhang gleich zwei Kern- (und
Fehl-)Einschätzungen der museologischen Bewertung der ›neuen Medien‹ ab: ers-
tens nämlich, dass das ›Virtuelle‹ außerhalb des Realen stünde, wenn es ihm nicht
gar diametral entgegengesetzt sei, und zweitens, dass ein Auftauchen von Medien im
Museumsraum ein Sonderfall und Ausnahmezustand sei, über den es sich zu schrei-
ben gebiete.
Während die erste Annahme sich sowohl an der Begriffsgeschichte11 des Wortes
›Virtualität‹ als auch an der Praxis unseres Umgangs mit ihm12 zerschlägt, verbirgt
sich in der zweiten eine (von Kuratoren womöglich zuweilen auch sich selbst gegen-
über betriebene) Verleugnung dessen, was Museen eigentlich sind und leisten, denn:
Natürlich sind alle von Museen gesammelten und ausgestellten Gegenstände letztlich
Medien. Das, was im Museum steht, ist längst nicht mehr der unmittelbare Überrest
einer in unsere Gegenwart hinübergeretteten Vergangenheit, sondern vielmehr das
Produkt einer Inszenierung innerhalb von Institutionen (vgl. Korff 2002b: 141; vgl.
Waidacher 2000: 4; vgl. Grütter 1997: 671). Was Museen uns zeigen, ist niemals
›real‹, sondern wie Valéry bereits so treffend feststellt, eine Scheinwelt ‒ errichtet
um Dinge herum, deren ›Wirklichkeit‹ längst erloschen und somit Geschichte gewor-
den ist.
Nichtsdestoweniger kommt kaum eine Museumsdefinition umhin, die Bedeutung
des Materiellen und des ›Echten‹ für die Institution und ihren sozialen Auftrag zu
betonen (vgl. z.B. Waidacher 2000: 7). Als in den 1990er Jahren erstmals der Begriff
des ›virtuellen Museums‹ in Wissenschaft und Öffentlichkeit zu kursieren begann,
waren Reibungen vorprogrammiert: Digitale Museumsangebote wurden nicht selten
als Konkurrenzmodelle zur klassischen, physischen Museumssituation betrachtet und
standen für viele Fachleute zunächst unter einem grundsätzlichen Verdacht der päda-
gogischen Verflachung (vgl. Samida 2002: 3). Auch musste diese neue Bezeichnung
10 Ein beträchtlicher Teil der betreffenden Papers wird, dem Schwerpunkt der Tagung ent-
sprechend, online verfügbar gemacht, siehe http://www.museumsandtheweb.com/
bibliography/ vom 18.06.2018.
11 Siehe zur Geschichte des Virtualitätsbegriffs Kapitel 2.1 dieser Arbeit.
12 Siehe zur Frage nach Alltäglichkeit und Außergewöhnlichkeit virtueller Erlebnisdimensi-
onen Kapitel 6.5.1 dieser Arbeit.
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien