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Einleitung | 21
führt allzu oft dazu, dass sich die Qualität virtueller Museumsangebote aus Sicht der
Museumswissenschaft vor allem danach bemisst, wie sehr und wie erfolgreich diese
klassischen Aufgaben und Zielsetzungen der Institution Museum aufgreifen und um-
setzen ‒ das virtuelle Museum muss sich also nach den didaktischen Vorgaben des
klassischen physischen beurteilen lassen. Blick man hingegen durch die medienwis-
senschaftliche Brille auf das virtuelle Museum, scheint es zunächst lediglich ein vir-
tuelles Angebot unter vielen zu sein, die gegenwärtig im medialen Alltag auf uns
einprasseln. Formal und technisch ist es nicht kategorisch verschieden von virtuellen
Archiven, Bibliotheken, Enzyklopädien ‒ oder gar Internet-Kaufhäusern. Das spezi-
fisch ›museale‹ verliert sich im technologischen Ökosystem zwischen standardisier-
ten Schnittstellen, die für das World Wide Web und andere digitale Mediendisposi-
tive typisch geworden sind. Weder die Museologie noch die Medienwissenschaft
sind also bisher aus sich heraus imstande gewesen, das virtuelle Museum als eine
souveräne und genuin neue Erscheinungsform kultureller Kommunikation zu verste-
hen, der es nach ihren eigenen und überhaupt noch nicht ausgehandelten Maßstäben
gerecht zu werden gilt. Es gibt noch kein Beschreibungsmodell und Theoriegebäude,
innerhalb dessen es sich über virtuelle Museen als solche sprechen ließe.
Ein sich implizit durch nahezu die Gesamtheit der existierenden Literatur zu vir-
tuellen Museen ziehender Topos ist dabei die Vorstellung, dass im Prozess der Mu-
seumsvirtualisierung das Museum notwendigerweise das Objekt, der Computer und
seine Programmierer hingegen die Subjekte seien. Virtualisierung (und dieser Begriff
wird im Laufe dieser Arbeit noch genauer zu erläutern sein, insbesondere in seinem
Verhältnis zur Digitalisierung) scheint ein Prozess zu sein, der einseitig auf das Mu-
seum einwirkt ‒ während neue Medientechnologien das Museum in seiner institutio-
nellen Gänze erfassen und in Zweifel ziehen, wird die Handlungsmacht der Museen
darauf begrenzt gesehen, ihre eigenen virtuellen Vorfelder zu gestalten. Museumsvir-
tualisierung scheint dementsprechend tatsächlich in erster Linie Virtualisierung des
Musealen zu heißen. Museen schaffen sich gediegene Internetauftritte, digitalisieren
Sammlungsbestände und Verwaltungsabläufe, interagieren via Facebook und Twitter
mit einem Publikum, dass sich zuvor nur sehr bedingt der Institution mitteilen konnte,
bieten Handy-Apps als Alternative zum klassischen Audioguide an ‒ kurzum: Digi-
tale Medien, mit ihrem kombinierten Versprechen inhaltlicher Fülle, allgegenwärti-
ger Abrufbarkeit und ständigen, unmittelbaren ›Dabeiseins‹ zwingen der Institution
Museum ihr kulturelles Paradigma auf, während die Museen nach Kompromissen
und Winkelzügen suchen, dieser neuen Anforderungslage gerecht zu werden, ohne
ihre spezifische Eigenart als Bildungseinrichtungen aufgeben zu müssen. In diesem
Sinne erzählt der Großteil der existierenden Literatur die Geschichte der Muse-
umsvirtualisierung zugleich auch als eine Geschichte des Umbruchs: Digitale Me-
dien, so der Tenor, verwerfen die Prinzipien von Materialität, Dauerhaftigkeit, Insti-
tutionalisierung und Expertentum zugunsten von Simulation, Flüchtigkeit, Offenheit
und Teilhabe. Das virtuelle Museum wird als mediale und diskursive Abkehr vom
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien