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Interfaces aus unseren Wahrnehmungsgewohnheiten heraus als solche empfinden
mögen.
Transcoding ist ferner immer auch ein Prozess der Entkopplung zwischen der
(Bild-)Sprache der Nutzeroberfläche und den Formalien des Rechners: Das, was auf
dem Bildschirm Gestalt annimmt, bildet nicht unbedingt das ab, was der Computer
im selben Moment im engeren Sinne ›tut‹. So vermitteln z.B. die grafischen Oberflä-
chen von Betriebssystemen wie Microsoft Windows oder MacOS (die ihrerseits ja
selbst nichts anderes sind als Gefüge aus Computerbildern) eine bestimmte Logik der
Dateien und des Computers insgesamt, die meist relativ wenig damit zu tun hat, wie
er tatsächlich arbeitet. Unter Rückgriff auf die Sapir-Whorf-Hypothese, der zufolge
die Sprache das Denken formt, charakterisiert Manovich Interfaces als Sprachsys-
teme, die eine bestimmte Vorstellung davon transportieren, was Computer sind und
wie sie auf unterschiedlichen Ebenen (Prozessor, Speicher, Software, usw.) arbeiten
(vgl. ebd.: 64f.). Solche Vorstellungen sind nicht etwa ›falsch‹: In den allermeisten
Fällen sind die Interfaces ja hochgradig funktional und führen ihre Nutzer bei sach-
gemäßer Verwendung durchaus zum Ziel. Vielmehr unterstreicht Manovich mit die-
ser Feststellung die bei Turkle bereits angedeutete Idee von einer doppelten Wirk-
lichkeit des Rechners: Interfaces sind nicht weniger real als die Maschinen, auf denen
sie entstehen. Die elektronischen Abläufe im Rechner sind Teil der gleichen Wirk-
lichkeit wie die Bildwelt, die auf dem Monitor erscheint. Es gibt hier keinen in Stein
gemeißelten Dualismus von Realität und Irrealität, sondern lediglich einen fluktuie-
renden von Virtualität und Aktualität.
Wir wollen es für den Augenblick bei diesem ersten Umriss von ›Virtualität‹ und
›Virtualisierung‹ belassen. Es wird diese Begriffe im folgenden Kapitel noch auf die
räumlichen und dinglichen Kategorien des Museums zu übertragen gelten. Konkre-
tisiert werden sollen sie im Folgenden zunächst anhand einer technologischen Kon-
figurationsform, mit der sie in der Gegenwart wie mit kaum einer anderen verbunden
sind: jener des Netzwerks.
2.2 ZUM BEGRIFF DES ›NETZWERKS‹
Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich der Terminus des ›Netzwerks‹ eng mit
digitalen Medientechnologien verschränkt, ohne dabei notwendigerweise Computer-
netzwerke im engeren technischen Sinne zu meinen. Vielmehr scheint ›Vernetzung‹,
ganz ähnlich wie das bereits diskutierte Heideggersche ›Bauen‹, einen bestimmten
Modus menschlicher Existenz zu beschreiben, der in vernetzten Rechnern lediglich
seinen infrastrukturellen Unterbau und seine Metaphorik findet. Vernetzt sind nicht
länger nur die Computer untereinander, sondern auch die von ihnen übertragenen
Inhalte (in Form verlinkter Webseiten) und die Menschen, die sie benutzen. Das Wort
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien