Page - 152 - in Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Image of the Page - 152 -
Text of the Page - 152 -
152 | Dinge – Nutzer – Netze
überzeugen können) zu fragen, unter welchen Computerbilder eine museale Ver-
kehrsform annehmen können.
Dieser Problemkomplex ist wiederum von der ›hypernatürlichen‹ Fundierung der
Computerbilder insofern gar nicht abzukoppeln, als dass deren Präsentation (bzw.:
deren Präsentierbarkeit schlechthin) den Voraussetzungen, Grenzen und Standards
digitaler Technik unterworfen ist. Während das physische Museum den ›Zugriff‹ auf
seine Objekte und damit deren Rezipierbarkeit über eine bestimmte Raumsituation
ermöglicht und reglementiert, bestimmen bei digitalen Objekten die Methoden des
Datenabrufs über ihre Anschlussfähigkeiten und damit eben auch über die konkreten
Ausprägungen ihrer Verkehrsform. Wie im physischen Museum ist auch im virtuel-
len das Funktionieren der Objekte als Medien nicht zu verstehen, wenn man es nicht
im sie umgebenden ›Raum‹ kontextualisiert.
3.3 MUSEEN OHNE RAUM
Museale Räume sind Orte der Abduktion, und zwar in einem pointierten, doppelten
Sinne. Zum einen meint die Abduktion in diesem Kontext jene bereits im ersten Ka-
pitel erwähnte Erkenntnisebene, die nach Umberto Eco aller Induktion und Deduk-
tion (ebenso wie wohl aller Transduktion) vorausgeht: Der museale Raum weist die
in ihm enthaltenen Dinge überhaupt erst als Träger einer Botschaft aus und gibt uns
Anlass zu der Annahme, dass es in seinem Inneren etwas zu verstehen gibt. Die harte
Innen-/Außen-Trennung zwischen Ausstellungsfläche und Rest der Welt, die im und
vom Museum etabliert wird, kennzeichnet die in ihm enthaltenen Dinge als Semio-
phoren, an denen kulturelle Inhalte und Zusammenhänge abgelesen werden sollen −
und dies gilt auch und oft sogar umso mehr, wenn sich außerhalb des Museums ver-
gleichbare Objekte im alltäglichen Gebrauch befinden. Nicht umsonst geschah der
legendär gewordene Kunstfrevel an Jospeh Beuys᾿ Badewannen-Kunstwerk im Jahre
1973 nicht in einem Ausstellungskontext, sondern zu einem Zeitpunkt, an dem sich
die künstlerisch verdreckte Kinderwanne in einem Lagerraum des Leverkusener
Schlosses Morsbroich befand und der lokale SPD-Ortsverein ein Spülbehältnis für
das bei einer Veranstaltung anfallende Schmutzgeschirr benötigte (vgl. Lutteroth
2011).
Zum anderen sind Museen aber auch Orte der ›Abduktion‹ im allerwörtlichsten
Sinne. Das lateinische Verb abduco meint zunächst nur ein weg- oder entführen
(Pertsch 2008: 14) und auch das aus ihm hervorgegangene englische to abduct bzw.
das Substantiv abduction beschreiben einen Akt der Entführung und damit der Ver-
legung von etwas oder jemandem aus einem Kontext, in den es, sie oder er ›hinein-
gehört‹ in einen solchen, der ihm oder ihr fremd ist. Im Museum gehen diese beiden
Ebenen der Abduktion notwendigerweise miteinander einher: Der Standortwechsel
back to the
book Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen"
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien