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der Politik fernhielten, allen zeitgeschichtlichen Themen. Da die Verbrechen der
Vergangenheit noch zu brisant waren, wollte man sich lieber dem Ewig-Mensch-
lichen, dem Ahistorischen oder dem längst Vergangenen widmen. Der Rückzug
in die Innerlichkeit war für die konservativen Autoren eine „Stellungnahme zu
gewissen unbequemen Tendenzen der Gegenwart“,3 denn eine Auseinanderset-
zung mit der Politik und Kultur der Nachkriegszeit konnte „nur schwerlich deren
Wurzeln in der Zeit von 1938 bis 1945 verkennen“.4
Ähnliche Positionen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zwar auch in der
Bundesrepublik Deutschland vertreten, allerdings wurden sie dort nicht hege-
monial.5 In Österreich hingegen verfügte die ältere Schriftstellergeneration auch
nach 1945 immer noch über Macht und Einfluss, ihre Literaturauffassung war
rückwärtsgewandt und weitgehend an antimodernen Idealen ausgerichtet.6 Und
auch Vertreter der jungen Autorengeneration schlossen sich diesem literarischen
Programm an.7 Herbert Eisenreich (Jahrgang 1925) schreibt 1962:
Die jungen österreichischen Schriftsteller […] finden das Österreichische aber nicht
mehr in der Umwelt, sondern in der Vergangenheit, und sie nähren sich nicht aus
jener, sondern aus dieser. Nichts haben sie mit dem Optimismus der Gegenwart ge-
mein, sehr viel aber mit der Geistesverfassung ihrer Großväter und ihrer Urahnen.8
Und das war durchaus nicht als Kritik gemeint. Für die bis Mitte der 1960er-Jah-
re anhaltende Dominanz konservativer und vorgeblich politikferner Literatur
in Österreich und ihren Gegenpol, die rebellische, sprachexperimentelle Avant-
garde, lassen sich also zweifellos zahlreiche Belege finden. Aber die These von
der Dichotomisierung der österreichischen Nachkriegsliteratur verdeckt die
Tatsache, dass es jenseits dessen auch ganz andere Texte, eine ganz andere Lite-
ratur zu entdecken gibt, die sich explizit in den zeitgeschichtlichen Diskurs ein-
3 Joseph McVeigh: Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung in der österreichischen Litera-
tur nach 1945. Wien: Braumüller 1988, 132.
4 Ebd.
5 Vgl. Dieter Hoffmann: Arbeitsbuch deutschsprachiger Prosa seit 1945. Bd.
1. Tübingen [u. a.]:
Francke 2006.
6 Vgl. Karl Müller: Zäsuren ohne Folgen. Das lange Leben der Antimoderne Österreichs seit den
30er-Jahren. Salzburg: Otto Müller 1990.
7 Wynfrid Kriegleder weist darauf hin, dass jungen österreichischen Schreibenden Erfolg im
literarischen Feld nur durch das Arrangement mit dem großteils konservativen Establishment
oder aber die Orientierung auf den westdeutschen Markt möglich war. Wynfrid Kriegleder:
Die Literatur der fünfziger Jahre in Österreich – ein Überblick. In: treibhaus. Jahrbuch für
die Literatur der fünfziger Jahre 10 (2014): Österreich, S. 29–49, hier S. 37–39.
8 Herbert Eisenreich: Das schöpferische Misstrauen oder Ist Österreichs Literatur eine österrei-
chische Literatur? In: Otto Basil, Herbert Eisenreich (Hg.): Das große Erbe. Aufsätze zur öster-
reichischen Literatur. Graz, Wien: Stiasny 1962, S. 94–126, hier S. 124.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
14 Einleitung
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Title
- Diskurse des Kalten Krieges
- Subtitle
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Size
- 15.9 x 24.0 cm
- Pages
- 742
- Categories
- Geschichte Nach 1918