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lität etwas zu tun“87 haben würden. Auch Hans Weigel kritisierte das Stück hin-
sichtlich der Authentizität, aber insbesondere da es „keine klare Abwehrbereit-
schaft gegenüber dem Kommunismus“ zeigen würde. Weigel monierte
insbesondere, dass der Fährmann Loth hier als ein „Sendbote einer höheren
Gerechtigkeit“ auftritt und protestierte „ernsthaft gegen die mißverständliche
unkompetente Manier, mit der der Eiserne Vorhang und der Kommunismus
[…] eingearbeitet“88 wären. Dagegen sah die kommunistische Österreichi-
sche Volksstimme im Autor einen „Westagenten-Billinger“, der sich „als bestell-
ter Wolf, um nicht zu sagen Werwolf“, der gegen den Osten hetzt, enthülle. Eine
ambivalente Darstellung der Grenze, wie sie in der Donauballade zum Ausdruck
kommt, war von den Kontrahenten im Kalten Krieg nicht erwünscht.89 Dage-
gen wussten die kommunistischen Autorinnen und Autoren, wie sie die westli-
che Kritik an der „Mordgrenze“ umgehen konnten.
Aus dem Osten gesehen: Die „unsichtbare“ Grenze
„Auf einem gefälligen Chippendale-Stühlchen sitzend“ hatte Churchill „den
Ausdruck ‚eiserner Vorhang‘ in die geteilte Welt geschleudert“, so kommentiert
der kommunistische Lyriker Hugo Huppert retrospektiv dessen Rede in Fulton.
Damit, so konstatiert Huppert, hatte Churchill nicht nur den Frieden gebrochen,
sondern auch den Begriff von Joseph Goebbels reproduziert und „solch buch-
stabentreue Entlehnung spricht Bände“.90 Die Zurückweisung des Begriffs „Eiser-
ner Vorhang“ als einer Erfindung des Westens, der damit auch am Weiterbeste-
hen der nationalsozialistischen Ideologie beteiligt ist, ist ein zentraler Topos in
kommunistischen Argumentationslinien. Bei zahlreichen Autorinnen und Auto-
ren, vor allem linientreuen Mitgliedern der KPÖ, wird die Grenze hinsichtlich
ihrer spezifischen Gestalt und der von ihr ausgehenden Gefahr ignoriert. In den
87 Friedrich Torberg: Kritische Rückschau. In: Forvm 6 (1959) H. 70, S. 375.
88 Hans Weigel: Donau so flau. In: Ders.: 1001 Premiere: Hymnen und Verrisse. Bd.
2. Graz, Wien,
Köln: Styria 1983. S. 97.
89 Billinger versuchte das Schauspiel wegen der schlechten Kritiken umzuarbeiten. Erhalten geblie-
ben ist das Fragment „Herz am Abgrund“, am Titelblatt führt er als mögliche Titel auch „Cha-
ron“ oder „Haus an der Grenze“ an. In den ersten beiden vollendeten Akten, der auf fünf Akte
angelegten Umarbeitung, bemüht sich Billinger um eine einfachere, realistischere Darstellung,
behält aber den Hintergrund des Unheimlichen und Dämonischen bei: „Wie allerdings die
Verhältnisse gelöst worden wären, bleibt unklar; wie weit sich Billinger von der ursprünglichen
Konzeption mit Menschenschmuggel, Flucht und Tod im Fluß […] entfernt hätte, hätte erst
aus den letzten drei Akten ersehen werden können.“ vgl. Wilhelm Bortenschlager: Der unbe-
kannte Billinger. Innsbruck: Universitätsverlag Wagner 1985, S. 57.
90 Hugo Huppert: Einmal Moskau und zurück. Stationen meines Lebens. Autobiographie. Wien:
Globus 1987, S. 377.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
50 1 Die Grenze
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Title
- Diskurse des Kalten Krieges
- Subtitle
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Size
- 15.9 x 24.0 cm
- Pages
- 742
- Categories
- Geschichte Nach 1918