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Nach 1918
Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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SR ein Problem mit dem Sehen der ‚Wirklichkeit‘ zugrunde liegen müsse.55 Wil- li Bredel verteidigte Feuchtwangers Moskau 1937 noch 1959 mit dem Argument unbestechlicher, objektiver Wahrnehmung, bezog dieses allerdings vor allem auf den Westen und das Erbe des Zarentums: Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger hatte mit wachen Sinnen, mit offenen Augen und unbestechlicher Redlichkeit im kapitalistischen Europa seine gesellschaftli- che Umwelt beobachtet; nun lernte er die Menschen der Sowjetunion kennen, die neuen gesellschaftlichen Errungenschaften und Einrichtungen, die sie ihrer siegreichen Oktoberrevolution verdankten. [...] Sein kritischer skeptischer Ver- stand ließ ihn auch mancherlei noch Kritikwürdiges erkennen, Überbleibsel aus der Zeit des Zarismus, [...]56 Die ‚Wahrheit‘ hinter dem Eisernen Vorhang Im Kalten Krieg setzte sich die Debatte um die ‚Wahrheit‘ bzw. ‚Wirklichkeit‘ der UdSSR mit neuer Schärfe fort. Eines der einflussreichsten Bücher der Nach- kriegszeit zu diesem Thema, verfasst vom in die USA geflohenen weißrussischen Oppositionspolitiker und ehemaligen Mitglied des Moskauer Sowjets David  J. Dallin, heißt The Real Soviet Russia (1947).57 Der sowjetkritische Reisebericht des französischen Journalistenpaares Hélène und Pierre Lazareff trägt den Titel Die Stunde Moskaus. Rußland wie es wirklich ist (dt. 1955). Am Klappentext der deutschen Ausgabe heißt es bezeichnend: „immer sind sie [H. u. P.  Lazareff] objektiv bis zum Äußersten, bis zur Grenze einer nahezu skandalösen Objekti- vität, die hinter jede noch so dichte Kulisse schaut.“58 Aber auch die Verteidiger 55 Michael Rohrwasser hat darauf hingewiesen, dass Brecht keine ontologische Wahrheit im Blick hat, wenn er Gides Bericht kritisiert, sondern eine funktional bestimmte Verhaltensweise. Die angewandte Rhetorik verurteilt dennoch Idealismus im Gegensatz zu empirischer ‚Wirklich- keit‘. Vgl. Michael Rohrwasser: Kommunist, Exkommunist, Antikommunist. In: Wilhelm Hemecker, Mirjana Stančić (Hg.): Ein treuer Ketzer. Mànes Sperber als Ideologe. Wien: Zolnay 2000, S.  58–71, hier S.  64. 56 Willi Bredel: Lion Feuchtwanger in Moskau. In: Neue deutsche Literatur 7 (1959) H.  2, S.  144–146. 57 David [Julievich] Dallin (d.  i. David Levin): The Real Soviet Russia. London: Hollis & Carter 1947. Im selben Jahr veröffentlichte Dallin gemeinsam mit Boris  I. Nicolaevsky ein Buch über den Gulag: David  J. Dallin, Boris  I. Nicolaevsky: Forced Labour in Soviet Russia. New Haven: Yale Univ. Press 1947. (dt.: Zwangsarbeit in Sowjetrußland. Wien: Verlag Neue Welt 1948.) Dass der Vorwurf dieser Zwangsarbeit keine realen Grundlagen habe, behauptet folgende öster- reichische Propagandabroschüre: Theodor Prager: Das Märchen von der ‚roten Zwangswirt- schaft‘. Wien: Stern 1953. 58 Lazareff, Lazareff: Die Stunde Moskaus. Die Rhetorik der Augenzeugenschaft 71
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Title
Diskurse des Kalten Krieges
Subtitle
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Size
15.9 x 24.0 cm
Pages
742
Categories
Geschichte Nach 1918
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