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Nach 1918
Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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Ein neues Lied, ein besseres Lied O Freunde, will ich euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten.(HL 142) Diese Strophe ist dem Roman auch als Motto vorangestellt, allerdings flankiert von einem zweiten Motto, das die Heine’sche Hoffnung in Frage stellt. So wird Leo Trotzki zitiert: „Unsere Zeit ist vor allem eine Zeit der Lüge.“ (HL 5) Diese Kontrafaktur markiert den Rahmen des politischen Diskurses, der den Roman bestimmt.68 Schindler muss wie viele österreichische Sozialisten nach den Feb- ruarkämpfen also in die Tschechoslowakei flüchten. Dort tritt er der KP bei, um in die Sowjetunion einreisen zu können, wo er sich bessere Chancen zum „Schrei- ben und Veröffentlichen in deutscher Sprache“ (HL 266) erwartet. Im Rückblick erscheint ihm seine damalige Hoffnung auf ein sozialistisches Himmelreich in der Sowjetunion als etwas naiv: „Dort würden sie mich nicht mit Almosen beglü- cken, dort warteten sie auf mich, dort würden sie mich brauchen, dort würde ich zum erstenmal in meinem Leben ein Mensch unter Menschen sein.“ (HL 266) Diese Hoffnungen verbanden sich mit literarischen Ambitionen. Denn kurz vor der Entscheidung zur Emigration in die Sowjetunion beschließt Schindler ein „Buch ohne Lüge“ (HL 256 u. 262) zu schreiben, das seine bisherigen Lebenser- fahrungen authentisch schildern soll. Diesen Anspruch revidiert er aber sehr bald: Das „Buch ohne Lüge“ sei „das Buch, das nie geschrieben wurde“. (HL 256) „Die Wahrheit, das war ein klingendes Wort, die Überzeugung war achtenswert, die Begeisterung war schön. Aber je mehr ich nachdachte, desto komplizierter erschien mir mein Vorhaben, und ich war müde.“ (HL 262) 68 Denselben Vorwurf, der im Roman gestaltet wird, fasst Federmann in einem kurzen Gedicht mit dem Titel Verbeugung nach links, das 1953 in der Anthologienreihe Stimmen der Gegen- wart publiziert wurde: Ihr dreht das Wort im Mund eh’s noch gesprochen ist; es klingt so glatt und rund, weil’s längst gebrochen ist. Wenn ihr den Krieg beklagt, ist’s nur ein Wort, und wenn ihr Frieden sagt, dann meint ihr Mord. Reinhard Federmann: Verbeugung nach links. In: Hans Weigel (Hg.): Stimmen der Gegenwart 1953. Wien: Albrecht Dürer 1953, S.  97. Möglicherweise spielt Federmann auf dieses und das Gedicht Verbeugung nach rechts an der Stelle des Romans an, an der Schindler bekennt, wegen der Hoffnung auf bessere Publikationsmöglichkeiten in die KP eingetreten zu sein: „Das wirft kein gutes Licht auf mich, und ich bedaure es mit Verbeugungen nach allen Seiten. Aber es ist wahr.“ (HL 266) Reisen ins gelog’ne Land 75
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Title
Diskurse des Kalten Krieges
Subtitle
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Size
15.9 x 24.0 cm
Pages
742
Categories
Geschichte Nach 1918
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