Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Page - 78 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 78 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur

Image of the Page - 78 -

Image of the Page - 78 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur

Text of the Page - 78 -

eigenen Augen und am eigenen Leib führt in Federmanns Roman zwar zur Demon- tage sozialistischer Utopien, die klare Analyse des sowjetischen Gesellschaftssys- tems schlägt jedoch nicht in eine neue, enthusiastisch vertretene Ideologie um. Stattdessen bleiben Skepsis und Ernüchterung. Der ‚freie Westen‘ als Enttäuschung – Geisterbahn der Freiheit (1959) von Carl Merz/Helmut Qualtinger und Straße ohne Ende (1963) von Hans Kühnelt Das Narrativ der Reise hinter den Eisernen Vorhang funktioniert auch in die umgekehrte Richtung. Bürger aus den kommunistischen Volksrepubliken oder der Sowjetunion versuchten immer wieder, in den Westen zu flüchten. Wegen der hohen Zahlen von Auswanderern wurden die Grenze zu den Westzonen Deutschlands bzw. zur BRD ab November 1946 durch eine Grenzpolizei mit Autorisierung zum Waffengebrauch gesichert, 1952 durch einen bewachten und mit Stacheldraht gesicherten Grenzstreifen geschlossen und 1961 mit dem Mau- erbau zu einer für Flüchtlinge fast undurchdringlichen Sperre verdichtet. Rei- sebewilligungen für DDR-Bürger in den Westen wurden von der DDR-Regie- rung schon 1957/58 radikal eingeschränkt, da viele die Reise zur Flucht nutzten.71 Auch das Sowjetregime fürchtete das Phänomen des Überläufers, der von einer Reise (etwa zu einem sportlichen Wettkampf, einem Gastspiel oder einer Kon- ferenz) nicht mehr zurückkehrte. Besonders in den Jahren 1953 bis 1956 gab es viele solcher Fälle.72 Eine solche Flucht bedeutete selbstverständlich eine Nie- derlage für die Sowjetunion und stellte ihr ein negatives Zeugnis aus, während man im Westen die Ansicht bestätigt fand, über das überlegene System zu ver- fügen. Das Mittelstück des Kabarettprogramms Dachl überm Kopf von Carl Merz und Helmut Qualtinger, das am 7.  Oktober 1959 im Neuen Theater am Kärtner- tor Premiere hatte, trägt den Titel Geisterbahn der Freiheit73 und handelt von einer Reise von Jugendlichen aus dem Ostblock zu einem internationalen kom- munistischen Festival im Westen, bei dem sich die Möglichkeit zur Flucht aus dem totalitären Regime bot. Dieser Plot verweist auf ein historisches Ereignis. Vom 26.  Juli bis zum 4.  August 1959 fanden in Wien die 7.  Weltfestspiele der Jugend für Frieden und Freundschaft statt, wobei die vorhergehenden sechs Welt- festspiele in Ländern unter sowjetischem Einfluss abgehalten worden waren. 71 Detjen: Ein Loch in der Mauer, S. 51  f. 72 Vgl. Caute: The Dancer Defects, S. 28  f. 73 Carl Merz, Helmut Qualtinger: Geisterbahn der Freiheit [1959]. In: Helmut Qualtinger: Werk- ausgabe. Hrsg. v. Traugott Krischke. Bd.  2, Carl Merz, Helmut Qualtinger: ‚Brettl vor dem Kopf‘ und andere Texte fürs Kabarett. Wien: Deuticke 1996, S.  231–257 [im Folgenden abgek. GF]. Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR 78 2 Reisen ins Rote – Augenzeugen hinter dem Eisernen Vorhang
back to the  book Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur"
Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Title
Diskurse des Kalten Krieges
Subtitle
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Size
15.9 x 24.0 cm
Pages
742
Categories
Geschichte Nach 1918
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Diskurse des Kalten Krieges