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im Plenum des Reichstages die Böhmen, Mährer und Galizianer
zusammen bereits selbst die absolute Majorität bildeten, waren sie
im Ausschusse lediglich im Verhältnisse von (3X3-=) 9 zu 21 vertreten.
Jene neigten der Mehrzahl nach natürlich zu föderalistischen Principien;
die anderen zur Centralisation, mit Ausnahme einiger Slovenen. Nicht
allein der Umstand, dass dieDoktrin Rotteks undWelkers nach der fran-
zösischen Schablone die Stimmung der Majorität des Ausschusses
beherrschte (wie auch z. B. der Böhme Dr. Pinkas an ihr Wohl-
gefallen fand), sondern auch dife Erkenntniss, dass nicht jedes
Land sich selbst in allen Bedürfnissen des öffentlichen Lebens I$L
genügen im Stande sei (z. B. dass nicht jedes sich seine eigene
Universität, höhere Fachschulen, seinen eigenen Kassationsgerichts-
hof u. a. verschaffen und erhalten könne) und die Thatsache, dass
beim Beantragen der natürlichen oder historischen Ländergruppen
sich eine allzu rara concordia fratrum zeigte — alle diese Um-
stände führten die Majorität des Ausschusses mit unwiderstehlicher
Gewalt zu centralistischen Ansichten. Es gab Wenige, welche ihr
Augenmerk auf die natürlichen Bedingungen und Anforderungen
der Totalität des Reiches, auf eine billige und gleichmässige Be-
friedigung aller und eines jeden richteten; die Mehrzahl dachte nur
in egoistischer Weise an dieVortheile oder Nachtheile, welche aus
den einzelnen Bestimmungen für die Betheiligten fliessen sollten
und richtete darnach ihre Abstimmung ein. Nachdem auf diese
Weise etwa die Hälfte des vorgelegten Entwurfes durchdebattirt
und geändert worden war, bekam ich die endlosen und immer er-
folglosen*) Streitigkeiten satt und trat aus dem Konstitutionsaus-
schusse, um mich desto besser zur Vertheidigung meiner Grund-
sätze und Anschauungen im Plenum des Reichstages vorbereiten
zu können; diess wurde jedoch durch die plötzliche Auflösung oder
Sprengung des ganzen Kremsierer Reichstages vereitelt. Viele
waren der Ansicht, diese unvermuthete Auflösung sei lediglich eine
Antwort auf meine Interpellation vom 23. Feber 1849 gewesen.
Die Erklärung der böhmischen Abgeordneten vom 21. März 1849
beleuchtet die gesammte Thätigkeit des Reichstages zur Genüge.
Unter den Einwendungen, welche gegen eine Födera t ion
in Oesterreich erhoben wurden, befand sich an erster Stelle auch
schon der blosse Name derselben. Eine Föderation habe angeblich
bei allen, welche sie eingehen wollen, die Macht und das Recht
der Souveränität zur Voraussetzung, weil angeblich nur jene, die
in keinerlei Hinsicht von irgend Jemand abhängen, sich frei ver-
bünden können, keineswegs jedoch diejenigen, welche durch einen
staatlichen Verband bereits an einander geknüpft seien. Derselbe
Grund wurde wider uns gebraucht, um uns hochverrätherische Ab-
sichten in die Schuhe zu schieben, ohne dass man beachtet hätte,
dass eine konstitutionelle Freiheit ohne Autonomie gar nicht denkbar
*) Die Bemerkungen und Urtheile, welche der böhmische Judas Ant.
Springer — in seinem Werke: Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener
Frieden 1809, II. Th., insbesondere S. 617—624 — an dieselben knüpft, sind
aus persönlichem Grolle durchaus parteiisch verdreht und stellenweise gera-
dezu blöde.
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Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte