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Die Liebe der Erika Ewald
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Es war noch nicht lange her, daß diese Liebe zu Erika Ewald gekommen war und den ersten Glanz in ihr blasses gleichgültiges Mädchenleben getragen hatte. Und ihre Geschichte war still und alltäglich. In einer Gesellschaft hatten sie sich kennen gelernt. Sie gab dort Klavierstunden, aber ihre diskrete und feine Art gewann ihr so sehr die Liebe des ganzen Hauses, daß sie nur mehr als Freundin betrachtet wurde. Und er war dort zu einer Veranstaltung geladen, sozusagen als pièce de résistance, denn sein Ruf als Geigenvirtuose war trotz seiner Jugend ein ganz ungewöhnlicher. Die Umstände erwiesen sich selbst als bereitwillig, um ihre Verständigung zu unterstützen. Er wurde gebeten zu spielen, und es ergab sich als fast selbstverständlich, daß sie die Begleitung übernehmen sollte. Und da wurde er zuerst auf sie aufmerksam, denn sie ging mit soviel Verständnis auf seine Intentionen ein, daß er sogleich die Feinheit und Innigkeit ihres Wesens ahnte. Und noch mitten im stürmischen Applaus, der ihrem Vortrag folgte, machte er ihr den Vorschlag, ein bißchen zusammen zu plaudern. Sie nickte leise, ganz unmerklich leise. Aber es kam nicht dazu. Man gab sie beide nicht so rasch frei, er konnte nur ab und zu mit einem verstohlenen Blicke ihre überschlanke biegsame Gestalt messen und einen schüchtern-staunenden Gruß ihrer dunklen Augen auffangen. Ihre Worte gingen unter in Gewöhnlichkeiten und Höflichkeiten, mit denen man sie überhäufte. Dann kamen wieder neue Menschen und hunderterlei Ablenkungen anderer Art, daß sie beinahe die Verabredung vergaß. Aber als alles vorüber war und sie sich empfahl, stand er plötzlich neben ihr und fragte sie mit seiner sanften zurückhaltenden Stimme, ob er sie nach Hause geleiten dürfe. Einen Augenblick war sie hilflos; dann lehnte sie mit so ungeschickten Worten seine Mühe ab, daß er seinen Willen schließlich leicht durchsetzen konnte. Sie wohnte ziemlich weit draußen in der Vorstadt, und es war ein langer Weg in der mondhellen kalten Winternacht. Eine Zeitlang blieb ein Stillschweigen zwischen ihnen; es war dies keine Unbehilflichkeit, sondern nur die unbestimmte Furcht, die feiner durchbildete Leute haben, eine Unterhaltung mit Banalitäten zu beginnen. Dann begann er zu sprechen. Von dem Musikstück, das sie gemeinsam gespielt hatten, und von der Kunst überhaupt. Aber das war nur ein Anfang. Nur ein Weg zu ihrer Seele. Denn er wußte, daß alle, die in der Kunst ihre letzten Schätze so königlich verschwendeten, die ihr volles Gefühl in die musikalische Schönheit legten, im Leben ernst und verschlossen waren und sich nur dem Verstehenden offenbarten. Und sie gab ihm auch wirklich in ihren Ansichten über Schaffen und Reproduzieren viel von ihren geheimen psychischen Erlebnissen, vieles, 9
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Die Liebe der Erika Ewald
Title
Die Liebe der Erika Ewald
Author
Stefan Zweig
Date
1904
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
114
Keywords
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern über dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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