Page - 22 - in Die Liebe der Erika Ewald
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nicht minder lieb… «
Erika war wie von einem Rausch befangen. Ein sanfter Schauer überlief
sie. Sie wußte nur, daß sie ihn verlieren sollte und nicht konnte. Und daß sie
hoch über dem Leben stand. Alles war so fern, so weit. Abendstille lag über
den Tälern und sanfte Feierlichkeit, die Stadt war fern und ihr Gebrause und
alles, was an Wirklichkeit erinnerte. Sie fühlte sich in sonnigen Höhen, weit,
weit oben über alle Häßlichkeit und Kleinlichkeit mit ihrer opferfreudigen,
freien und spendenden Liebe, mit ihrer seligen Macht des Glückverschenkens.
Keine Gedanken, kein kluges, rechnendes Besinnen war mehr in ihr, nur
Gefühle, jauchzende, überströmende Gefühle, wie sie sie nie gespürt. Die
Stimmung überwältigte sie und ihr eigenstes Wollen. Und so sagte sie leise
und schlicht:
»Ich habe niemanden auf der Welt als dich. Und dich will ich glücklich
machen.«
Alle Scham war von ihr gewichen, wie sie zu ihm sprach. Sie wußte nur,
daß sie mit einem Worte viel, viel Glück verschenken konnte und sah nur
seine leuchtenden Augen und ihren dankbaren Glanz.
Und er beugte sich nieder und küßte mit stiller Ehrfurcht ihren Mund.
»Ich habe nie an dir gezweifelt.«
Und dann gingen sie den Weg hinab, der Stadt, nach Hause zu.
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Die Liebe der Erika Ewald
- Title
- Die Liebe der Erika Ewald
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1904
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik