Page - 50 - in Die Liebe der Erika Ewald
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Am nächsten Tage war sein Gebaren gänzlich in den Grenzen sorgfältig
gezirkelter Überlegung und erzwungener Ruhe. Mit kühler Gleichgültigkeit
erledigte er seine Pflichten, und seine Gebärden hatten eine so sichere und
sorglose Gewalt, daß niemand hinter der trügerischen Maske den herben
Entschluß hätte ahnen können. Kurz vor der Stunde des Diners eilte er mit
seinen kleinen Ersparnissen in das vornehmste Blumengeschäft und kaufte
erlesene Blumen, die ihn in ihrer farbigen Pracht wie Worte anmuteten:
feuergolden glühende Tulpen, die wie eine Leidenschaft waren, weiße
breitgekränzte Chrysanthemen, die wie lichte und exotische Träume
anmuteten, schmale Orchideen, die schlanken Bilder der Sehnsucht und ein
paar stolze betörende Rosen. Und dann erstand er eine prächtige Vase aus
opalisierendem funkelndem Glase. Die paar Francs, die ihm noch blieben,
schenkte er im Vorübergehen einem Bettelkinde mit rascher und sorgloser
Gebärde. Und eilte zurück. Die Vase mit den Blumen stellte er mit
wehmütiger Feierlichkeit vor das Kuvert der Gräfin, das er nun zum letzten
Male mit einer voluptuösen und langsamen Peinlichkeit bereitete.
Dann kam das Diner. Er servierte wie immer: kühl, lautlos und geschickt,
ohne aufzuschauen. Nur zum Ende umfing er ihre ganze biegsame, stolze
Gestalt mit einem unendlichen Blicke, von dem sie nie wußte. Und nie
erschien sie ihm so schön, wie in diesem letzten wunschlosen Blick. Dann trat
er ruhig, ohne Abschied und Gebärde vom Tische zurück und ging aus dem
Saal. Wie ein Gast, vor dem sich die Bedienten beugen und neigen, schritt er
durch die Gänge und über die vornehme Empfangstreppe hinab der Straße zu:
man hätte fühlen müssen, daß er mit diesem Augenblick seine Vergangenheit
verließ. Vor dem Hotel blieb er eine Sekunde unschlüssig stehen: dann
wandte er sich den blinkenden Villen und breiten Gärten entlang einem Wege
zu, weiter, immer weiter wandelnd in seinem nachdenklichen
Promenadeschritt, ohne zu wissen, wohin.
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Die Liebe der Erika Ewald
- Title
- Die Liebe der Erika Ewald
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1904
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik