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Die Liebe der Erika Ewald
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zu teilen. Und leise, um ein paar Matrosen, die am Nebentische, schon ein wenig betrunken, vor sich hingröhlten, nicht aufmerksam zu machen, sprach er sein Anliegen aus. Er erzählte ihm in fliegenden, aber innerlich bewegten Worten von dem Wunderzeichen, das ihm erschienen und bat schließlich den Wirt, der erstaunt zuhörte und sich anscheinend bemühte, mit seinem langsamen, vom Wein verqualmten Fassungsvermögen dem Maler zu folgen, – er möge gestatten, daß ihm seine Tochter als Folie eines Marienbildes diene. Er vergaß nicht zu erwähnen, daß durch die gegebene Verstattung auch der Vater teilhaftig werde an dem gottesfürchtigen Werk und merkte wiederholt an, daß er bereit sei, den Dienst in barem Gelde zu vergüten. Der Wirt antwortete nicht gleich, aber er wühlte mit seinem dicken Finger unablässig in den breiten, aufgeblähten Nasenlöchern. Endlich begann er. »Ihr müßt mich nicht für einen schlechten Christen halten, bei Gott nicht, aber das Ding ist nicht so einfach, wie ihr denkt. Denn wäre ich der Vater und könnte zu meinem Kind sagen, geh hin und tu so, wie ich dir’s befehle, ich sag’ Euch, unser Handel wäre schon erledigt. Mit diesem Kind ist’s aber eine eigene Sache… .. Donnerwetter, was gibt’s denn dort!« Er war aufgesprungen, in hellem Zorn, denn er ließ sich ungern in der Rede stören. Am andern Tische hämmerte einer wie toll mit dem leeren Krug auf der Bank und begehrte neue Füllung. Unwirsch riß ihm der Wirt den Humpen aus der Hand und besorgte mit unterdrücktem Fluch die frische Ladung. Gleichzeitig nahm er auch ein Glas und die Flasche mit, stellte sie zum Tisch des Gastes und schenkte beide Gläser voll. Mit einem Ruck war das seine hinabgespült, und wie erfrischt wischte er sich den struppigen Schnauzbart ab und begann. »Ich will Euch sagen, wie ich zu der Judendirne kam. Ich war Soldat, in Italien drunten und dann in Deutschland. Ein schlechtes Handwerk sag’ ich Euch, nie schlechter als heute und damals. Ich hatt’s auch über und wollt’ eben durch Deutschland nach Hause ziehn und ein ehrbares Handwerk ergreifen, denn geblieben war mir just nicht viel; Beutegeld rinnt zwischen den Fingern durch, und Knauser war ich nie gewesen. Da kam’s in einer deutschen Stadt; ich war just dort, als sich eines Abends ein großes Getöse erhob. Warum, weiß ich nicht mehr, doch das Volk hatte sich zusammengerottet, die Juden zu erschlagen, und ich zog mit, verlockt von der Hoffnung, etwas zu erhaschen, auch aus Neugierde, was geschehen möchte. Es ging toll zu, man stürmte, mordete, raubte, schändete, und die Kerle brüllten vor Lust und Begierde. Bald hatt’ ich’s satt und riß mich aus dem Haufen, denn mein ehrliches Kampfschwert mocht’ ich nicht mit Weiberblut besudeln und mit Dirnen nicht um Beute streiten. Da, in einer Nebengasse, durch die ich heim will, springt ein alter Jude mit langem, zitterndem Bart 74
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Die Liebe der Erika Ewald
Title
Die Liebe der Erika Ewald
Author
Stefan Zweig
Date
1904
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
114
Keywords
Literatur, Liebe, Erzählung, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern ĂĽber dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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