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Die Liebe der Erika Ewald
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Page - 109 - in Die Liebe der Erika Ewald

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SphĂ€re ertrĂ€umten Lichtes. LĂ€ngst wußte sie nicht mehr, daß dies ein fremdes Kind gewesen sei, das sie nur gekannt. Sie trĂ€umte den Gott in ihm und den Gott einer jeden Frau, das eigene blutwarme Wesen ihres Leibes; dumpfe Gottessehnsucht, sucherische Ekstatik und werdende Muttersehnsucht spannen zusammen das lĂŒgnerische Netz ihres Lebenstraumes. FĂŒr sie war nun Helle in dieser lastenden breiten Dunkelheit, ein zartes Tönen harfte auf in der schauernden Stille, die nichts wußte von Menschenwort und Uhrenschlag. Über ihren hingestreckten Körper ging die Zeit mit unhörbaren Schritten
 Ein jĂ€her Stoß erschĂŒtterte mit einem Male die Pforte. Und ein zweiter und dritter, daß sie entsetzt auffuhr und in das furchtbare Dunkel starrte. Und neue donnernde StĂ¶ĂŸe, daß das ganze hohe stolze GebĂ€ude erzitterte und die einsamen Lampen wie feurige Augen durch das Dunkel rollten. Wie hilfloses Schreien gellte das Feilen des gesprengten TĂŒrriegels durch den leeren Raum, dessen WĂ€nde sich die schaurigen GerĂ€usche wirr und heftig zuwarfen. Gieriger Zorn vieler Menschen hĂ€mmerte an der Pforte, und ein Brausen erregter Stimmen dröhnte in die hohle Einsamkeit, als hĂ€tte das Meer donnernd alle DĂ€mme zerrissen und stĂ€nde mit seinen anprallenden Wogen vor den Ă€chzenden TĂŒren des schlafenden Gotteshauses. Esther horchte verstört, wie aus einem Traume geschreckt. Aber da schmetterte endlich das Tor nieder. Ein dunkler Strom Menschen quoll heftig herein und fĂŒllte mit jĂ€hem Johlen und Toben die gewaltige Halle. Und mehr, immer mehr. Tausende schienen draußen noch zu warten und sie anzufeuern. Und trunkene Fackeln funkelten plötzlich hoch auf wie gierige HĂ€nde, und ihr irrer blutiger Schein fiel auf wilde, von blindem Eifer verzerrte Gesichter, aus denen die Augen heiß quollen wie sĂŒndige Begierden. Nun ahnte Esther erst dumpf die Absicht der finsteren Rotten, denen sie unterwegs begegnet war. Und schon knatterten die ersten AxtschlĂ€ge nieder in das Holz der Kanzel, Bilder sausten zu Boden, Statuen knickten um, FlĂŒche und Hohnworte wirbelten auf aus diesem dunklen Schwall, ĂŒber dem die Fackeln unruhig tanzten, wie erschreckt von dem wahnwitzigen Gebaren. Wirr ergoß sich die Flut gegen den Hauptaltar, plĂŒndernd und vernichtend, schĂ€ndend und entweihend. Hostien flatterten zu Boden nieder wie weiße BlĂŒten, eine ewige Lampe sauste von wilder Faust geschleudert wie ein Meteor durch das Dunkel. Und immer mehr Gestalten drĂ€ngten nach, die Fackeln flackerten hĂ€ufiger und hĂ€ufiger. Ein Bild fing Feuer und die Flamme leckte hoch auf wie eine zĂŒngelnde Schlange. Irgend einer hatte die Orgel gepackt; die irren Töne ihrer zerschmetterten Pfeifen schrieen gell und hilfesuchend durch das Dunkel. Und Gestalten tauchten auf wie aus wirren und wahnsinnigen TrĂ€umen. Ein toller Geselle mit einem blutigen Gesicht schmierte sich unter dem tierischen Jubel der andern die Stiefel mit dem heiligen Öle, zerlumpte 109
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Die Liebe der Erika Ewald
Title
Die Liebe der Erika Ewald
Author
Stefan Zweig
Date
1904
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
114
Keywords
Literatur, Liebe, ErzÀhlung, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Die Liebe der Erika Ewald 5
  2. Der Stern ĂŒber dem Walde 46
  3. Die Wanderung 56
  4. Die Wunder des Lebens 61
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