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kommen. Darüber hinaus war eine Fahrt durch den Ruß der Lokomotive etwas
getrübt. Man entstieg nicht selten geschwärzt dem Zug, um dann möglichst
rasch Wasser zum Reinigen der Hände und des Gesichts zu suchen.
Die Steuerung der Signale und Schranken erfolgte vorwiegend auf mechani-
schem Wege über Drahtleitungen entlang der Strecke.
Eine Besonderheit stellte die sogenannte Pressburger-Bahn dar, die als Voll-
bahn, teils elektrisch, teils mit Dampf, vom ehemaligen Hauptzollamt über
Schwechat bis Pressburg geführt wurde. Ich erinnere mich noch an die große
Schienenschleife westlich der Stadtbahnstation Hauptzollamt – heute Wien-
Mitte bzw. Landstraße. Diese Wendeschleife war für die zweiachsigen Eisen-
bahnwaggons der elektrisch betriebenen Bahn ausgelegt, die einen bestimm-
ten Radius erforderlich machten. Deshalb wies diese sogenannte Schürha-
ken-Kurven auf. Diese Eisenbahn war für den Transport der meist sehr jungen
Luftwaffenhelfer der Heimatflak nach und von Fischamend von großer Bedeu-
tung. Die heutige Schnellbahn ist durchgehend elektrifiziert und benützt zum
großen Teil noch die Trasse der alten Pressburger-Bahn, endet jedoch schon
vor der Staatsgrenze in Wolfsthal.
In allen größeren Bahnhofshallen prangten Plakate mit der Aufschrift „Räder
müssen rollen für den Sieg“ – und ein Witzbold hatte die nicht ungefährliche
Ergänzung „…und Kinderwägen für den nächsten Krieg“ darunter geschrieben.
Trotzdem: Der Geruch eines Zugabteils und einer etwas rußgeschwärzten und
rauchgeschwängerten Bahnhofshalle erweckte Sehnsüchte nach Reisen in
ferne Länder.
Nur eine untergeordnete Rolle spielte der Personenverkehr auf der Donau. Die
alten Raddampfer mit dem einsehbaren und imposanten Motorraum dienten
hauptsächlich für Fahrten im Rahmen der Aktion „Kraft durch Freude“. Wir ha-
ben selbst keine Schiffsreise unternehmen können, doch einmal ging ich mit
meinem Vater diese Schiffe im Winterhafen „inspizieren“, was für mich ein sehr
aufregendes Erlebnis war. Heute dienen diese Schiffe als Museumsstücke
oder als schwimmende Restaurants an der Donau.
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Title
- Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
- Subtitle
- Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Author
- Othmar Nestroy
- Editor
- Technischen Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-741-0
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 120
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einstimmung 8
- Einleitung 11
- Politische Propaganda 13
- Spiel und Sport 19
- Der Krieg wird spürbar 23
- Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
- Privater und öffentlicher Verkehr 32
- Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
- Der totale Krieg beginnt 47
- Die Front rückt näher 57
- Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
- Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
- Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
- Nachklang 93
- Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
- Ausklang 115