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Tagebuch 1937/3
sollte. Am Amüsantesten wie abhängig die meisten anfingen ! (z. B. Vlaminck). Am
imponierendsten Matisse als Überwinder der eigenen Vergangenheit. Dufy mehr
schon hineingeborener Kronprinz.
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20. [Juli]
Gestern hab ich etwas vergessen, wie immer in Paris : wen werden wir überraschen-
derweise treffen ? Floch gilt natürl[ich] nicht. In d. alten Kunstausst[ellung] sprach
mich gleich am Eingang eine Wienerin an, um mir einen bestimmten Katalog als
besonders praktisch anzupreisen. Sie kannte den Herrn Professor von Vorträgen. Gilt
das ? Wir kennen sie nicht. Dann war’s Canetti, den
wir zwar erkannten, aber d. Namen glatt vergessen
hatten. Schließlich Goldwater aus New York : „How
is Cate ?“ „Fine –“ Heute wieder kontinental-blauer
Himmel ! Ich habe unterisch noch weniger als nach
oben an. Armer Stoffel, der in 10 Tagen hier sight-
seeing sein will ; wir dürfen uns doch wenigstens un-
ser Programm einteilen – soweit Floch das nicht tun
will.
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(Abends ; wir sitzen im Hôtel u. warten auf den
eingeladenen M. Edel.) Das war ein tätiger Tag, der
schon um 9h anfing. Wir besorgten den Geldwech-
sel u. Karteneinkauf Paris – Modane mit Reserva-
tion, weil doch alle Züge so furchtbar voll sind. Bei
Braun vergeblich nach d. Photo […] aus Fontaine-
bleau gefragt, in den Archiven eine ganze Reihe von
Z[eich nungen]photos aus Besançon, Bayonne u. Paris
ausgewählt u. gezahlt. Wann werden wir wieder so
billige Franken haben. Im Pavillon […] die Ausstel-
lung […] Jahrhunderts mit viel Spaß besehen. (Floch
war auch da). Hans meint aber ganz richtig, daß mehr Erklär[ungen] sein sollten.
Dann im Louvre wegen Pardovenus, die aber – da muß man wohl „ausgerechnet“
sagen – beim Photogr[aphieren] war. Die gewaschenen Delacroix u. Courbets an-
geschaut, die wirklich ein Vergnügen sind u. noch mehr auf Nachfolge hoffen las-
sen. Floch ist ganz amüsant, wenn er über Bilder spricht. Bei Delacroix „14. Juli“ :
„Das ist wohl das erstemal, daß ein Maler die Tricolore zum Grundthema macht.“ Es
war aber so schwül und stickig, die Menschen so „abgekämpft“ (Hansen’s Ausdruck)
auf den roten Plüschsofas, daß einem jede Lust verging. Wir schleppten uns zu un-
serm Greisler u. heim u. bald danach ins Bett. Ohne diese Siesta kann mans nicht
aushalten. Am Nachmittag gingen wir uns erst von einem Kaffee aufputschen, dann
zu Wildenstein in d. Grecoausstell[ung]. Die vom König v. Rumänien geliehenen
Abb. 40 : „El Greco“, Ausstellung bei Wildenstein,
Paris.
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 346
- Category
- Biographien