Page - 1 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Image of the Page - 1 -
Text of the Page - 1 -
1 Existentialismus inÖsterreich.Einleitung
Jean-Paul Sartres voluminöse phänomenologische Ontologie L’Être et le Néant
(1943) zählt zu der Lektüre, die das verzweifelnde Ich in Ingeborg Bachmanns
RomanMalina (1971) „betört“1 zurücklässt. Den delinquenten Jugendlichen in El-
friede JelineksDieAusgesperrten (1980) dient sie als Fundus für großspurige Zitate
und zur Rechtfertigung ihrer Straftaten. Sartres nobelpreisbeförderndeAutobiogra-
phieDieWörterwiederumgehörtzudenwenigenBüchern,dieFranz-JosephMurau,
HauptfigurvonThomasBernhardsOpusMagnumAuslöschung (1986),nacheigenen
Angabenzweimallesenwürde.AutorInnenwieAndreasOkopenko,HerthaKräftner,
MiloDor, Peter Turrini, JosefWinkler, RuthAspöck,Werner SchwabundGerhard
Rothweisen sich selbst als vomExistentialismus beeinflusst aus, andere beziehen
offensiv gegen ihn Stellung,wie PeterHandke, den Sartres Konzept der littérature
engagéeMitteder1960er-JahreöffentlichkeitswirksamausderFassungbringt.
Auf welche Weise und in welcher Gestalt sich der Existentialismus von
Paris aus nach 1945 seinenWegRichtungÖsterreich bahnt, lässt sich anhand
einesCorpusausZeitungen,ZeitschriftenundAnthologien,Theaterspielplänen
und -kritiken, Vorlesungsverzeichnissen und Hochschulschriften sowie Zeug-
nissen alliierter Kulturaktivitäten mithilfe der Kulturtransfertheorie erfassen.
Für die Initiatoren diesesMitte der 1980er-Jahre amPariserCentre national de
la recherchescientifiquebegründetenAnsatzes (cf.Kap. 2),MichelEspagneund
MichaelWerner, ist einKulturimport„nieein reinkumulatives, sondern immer
ein schöpferisches Verfahren“,2 das gemäß den Bedürfnissen der Zielkultur
Sinnverschiebungen und Funktionsverlagerungen impliziert. Im Unterschied
zu früheren Formen der Einfluss- und Rezeptionsforschungwürden auf diese
Weise Hierarchisierungen, also ‚richtige‘ oder ‚falsche‘ Aufnahmen entfallen;
das transferierte Kulturemhabe ebenso viel Legitimität wie das Original („au-
tantde légitimitéque l’original“3).DieFokussierungauf„die inderRezeptions-
kultur ausgelösten Verarbeitungsvorgänge“4 steht der in SartresQu’est-ce que
1 IngeborgBachmann:Malina.FrankfurtamMain 11980,S.81.
2 MichelEspagneundMichaelWerner:Deutsch-französischerKulturtransferalsForschungsge-
genstand.EineProblemskizze. In: EspagneundWerner (Hg.): Transferts. Les relations intercul-
turellesdans l’espacefranco-allemand(XVIIIeetXIXesiècle).Paris 1988,S.11–34,hierS.21.
3 Michel Espagne: La Notion de transfert culturel. In: Revue Sciences/Lettres 2013, Nr. 1,
S. 1–9,hierS. 2.http://rsl.revues.org/219 (einges.09.01.2019).
4 MichaelWerner:DissymmetrienundsymmetrischeModellbildungen inderForschung zum
Kulturtransfer. In: Lüsebrink und Reichardt, mit Keilhauer und Nohr (Hg.): Kulturtransfer
imEpochenumbruch. Frankreich–Deutschland 1770 bis 1815. (Deutsch-FranzösischeKultur-
bibliothek9.1.)Leipzig1997,S.87–101,hierS.96.
OpenAccess.©2021 JulianeWerner,publiziertvonWalterdeGruyter. DiesesWerkist
lizensiertuntereinerCreativeCommonsNamensnennung4.0InternationalLizenz.
https://doi.org/10.1515/9783110683066-001
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur