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quesaphilosophieestuneapologiede la lâcheté?Nesavez-vouspasqu’il arrive
aux hommes de n’être pas à la hauteur de leursœuvres?“51). Sartre tritt relativ
spät in die Tradition der französischenHeidegger-Rezeption ein; zwischen 1928
und 1934 ist Sein und Zeit, wie Randall Collins hervorhebt, „the most heavily
readvolumeintheENSlibrary“52.SeineigeneseingängigeresDenkeninL’Êtreet
leNéant trägt durch seineBerühmtheit bald zurweiterenVerbreitungder Texte
Heideggers und zur Rehabilitierung desmit Lehrverbot bedachten Philosophen
bei,dersichbeim„Wegbereiter“miteinerEinladunginseineSkihüttebedankt:
Sehr verehrter Herr Sartre! VorwenigenWochen erst habe ich von Ihnenund IhremWerk
gehört […]und ichhabesofortbegonnen,es [L’Êtreet leNéant]durchzuarbeiten.Hierbegeg-
netmir zumerstenmal ein selbstständigerDenker, der vonGrundausdenBereich erfahren
hat, aus demheraus ichdenke. IhrWerk ist von einemsounmittelbarenVerstehenmeiner
Philosophiebeherrscht,wieesmirnochnirgendsbegegnet ist. Ichwünschesehr,daßwir in
eine fruchtbare Auseinandersetzung kommen und dadurchwesentliche Fragen klären. […]
Schönwärees,wennSie imVerlaufdesWinterseinmalhierherkommenkönnten. Inunserer
kleinen Skihütte können wir zusammen philosophieren und von dort aus Skitouren im
Schwarzwaldunternehmen. […] Es gilt,mit demhöchstemErnst denWeltaugenblick zu er-
fassenund insWort zubringen,überallebloßenParteiungen,Modeströmungen,Schulrich-
tungen hinweg, daß endlich die entscheidende Erfahrung erwacht, wie abgründig im
51 Jean-PaulSartre:ÀProposde l’existentialisme:Miseaupoint (1944). In:ContatundRybalka
(Hg.): Les Écrits de Sartre. Chronologie, bibliographie commentée. Paris 1970, S. 653–658, hier
S. 654. [Zuerst in:Action, 29.12.1944.]DieTrennungzwischenMenschundWerk, dieHeidegger
hier zugutekommt,bezeichnetSartre in seinem„Selbstporträtmit siebzig Jahren“als eine reine
Illusion, eineMystifikation, diemenschliche Existenz sei „ein unteilbares Ganzes: Inneres und
Äußeres, Subjektives und Objektives, Persönliches und Politisches spiegeln einander zwangs-
läufigwider,weil sieAspekteeinundderselbenGesamtheit sind“ („untoutquinepeutpasêtre
divisé: le dedans et le dehors, le subjectif et l’objectif, le personnel et le politique retentissent
nécessairement l’un sur l’autre car ils sont les aspects d’unemême totalité“). Jean-Paul Sartre:
Selbstporträtmit siebzig Jahren. 1975. [InterviewmitMichelContat.]DeutschvonPeterAschner.
In: Sartre: SartreüberSartre.Aufsätzeund Interviews. 1940–1976.Hg. vonTraugottKönig. (Ge-
sammelteWerke.AutobiographischeSchriften,Briefe,Tagebücher2.)Reinbek1988,S. 202–276,
hierS.236. (Sartre:Autoportraitàsoixante-dixans,S.176.)
52 RandallCollins:TheSociologyofPhilosophies.AGlobalTheoryof IntellectualChange.Cam-
bridge/MAundLondon2002[1998],S.777.Heidegger istTeildesdeutschsprachigenkulturellen
Kapitals,aufdessenImportsichvorallemdasVerlagshausGallimardspezialisiert:„Theintellec-
tual director of theGallimard staff, BernardGroethuysen, a friendof Scheler, had been instru-
mental in introducing Hegel, Nietzsche, Heidegger, Freud, and Kafka into French intellectual
life in the 1920sand1930s.“ (S. 775) ZurHeidegger-Rezeption inFrankreich (durchLévinas,Ko-
jève,Sartre,Beaufret,Blanchot,Merleau-Ponty, späterAlthusser,FoucaultundLacan)cf.Ethan
Kleinberg: Generation Existential. Heidegger’s Philosophy in France 1927–1961. Ithaca/NY und
London 2006 [2005]; außerdem:Dominique Janicaud: Heidegger en France, Bd. 1: Récit. Paris
2006; sowie David Pettigrew und François Raffoul (Hg.): French Interpretations of Heidegger.
AnExceptionalReception.Albany/NY2008.
28 3 GrundlagenundGründungsmythen
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur