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ordnete Bedeutung; 200–300 Exemplare beliefern Presse, Radio, Universitäten,
französisch-österreichischeVereineundEinzelpersonen (vorallemProfessorInnen
und Intellektuelle68)mit künstlerischen undwissenschaftlichenNachrichten aus
Frankreich. Zentral stehen die Rubriken Zeitschriften, Theater und literarische
Neuerscheinungen, ergänzt durch Beiträge zum Hochschulwesen, zu Film und
MusiksowiezuwechselndenSpezialthemen(wieetwaMedizinoderMeteorologie).
Als Inhalte wählt die Redaktion „aus dem Schatz der französischen Kultur das
Wertvollste, Anregendste,Wichtigste“69 aus,mit demWillen, auch ältere Lücken
zu schließen, also „weniger aktuelle, aber interessante Themen der Vergangen-
heit“70einzubringen.FürweiteKreisedesösterreichischenLesepublikumsscheint
„der Kontaktmit dem französischenGeistesleben offensichtlich ein Bedürfnis“71,
heißtes 1948über„denvölkerverbindendenWertunsererArbeit“,dasBulletinsei
trotzdes indenerstenNachkriegsjahrennochgravierendenPapiermangelserfolg-
reich, eswurdennachRedaktionsangaben „viele unsererArtikel abgedruckt oder
zumindest inverkürzterFormwiedergegeben“72.
Die Bulletins beginnenmeist mit Kurznachrichten, die häufig Bucherschei-
nungenvonSartreundCamusenthalten (sowirdetwaam18.September1950 in
GeistigesFrankreichselbstdieÜbertragungvonSartresBaudelaire-Essay insEng-
lischebekanntgegebenoderam19.Februar 1951dieVerfilmungvonCamus’L’É-
tranger), gelegentlichauchvonGabrielMarcel,SimonedeBeauvoirundMaurice
Merleau-Ponty, sowieMeldungenausdenTempsmodernes.Dererste längereAr-
tikel zum Existentialismus („Jean-Paul Sartre un[d] der Existentialismus“,
17. Juni 1947) erscheint in der 11. Publikationswoche und zeigt bereits deutlich,
dass sich SartresWirkungnichtmit demvonderBesatzungsseite geplantenbe-
hutsamen Zurückführen der ÖsterreicherInnen auf ihren alten kulturellenWeg
vereinbarenlässt:
WenntatsächlichderWert jedesKunstwerkes,wieBaudelaire sagte, inseinemVermögen
liegt, in Staunen zu versetzen, und der tiefere Sinn der Philosophie darin besteht, den
menschlichenGeist von seinemmateriellenErdendaseinabzulenkenund inhöheregeis-
tige Regionen zu entführen, vereinigt sich in der Person Jean Paul Sartres das Talent
einesgrossenKünstlersmitdemGenieeinesPhilosophen.Erhatmit seinerWeltanschau-
ung zweifellos manche Moralisten entrüstet, viele empfindsame Naturen erschüttert,
68 Cf.Cullin:Österreich–aberwelches?,S.47.
69 o.V.:AnunsereLeser. In:Kulturelles, 21.03.1949.
70 Redaktion:Ein Jahr„Kulturelles“. In:Kulturelles, 22.03.1948.
71 o.V.:AnunsereLeser. In:Kulturelles, 21.03.1949.
72 Redaktion:Ein Jahr„Kulturelles“. In:Kulturelles, 22.03.1948.
4.3 Zeitschriften,Buchmarkt,Übersetzungen 77
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur