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roman existentialiste; tel qui utilise la sagesse des nations – qui est fort triste – nous
trouveplus tristeencore. […] il ne fautpas lutter contre lespouvoirs établis, il ne fautpas
lutter contre la force, il ne faut pas entreprendre au-dessusde sa condition, toute action
quines’insèrepasdansunetraditionestunromantisme)18.
Die hierwiedergegebenePassage aus Ist der Existentialismus einHumanismus?
findet sich 1955 gestrafft und frei ergänzt in der österreichischenTageszeitung
Die Presse, die aus Sartres Aussagen einen Dialog zwischen einem ‚Bürgerli-
chen‘undeinem ‚Existentialisten‘kreiert:
‚SiesindeinExistentialist.‘
‚So?Siemeinenwohl, ich redevulgär oderwäre vulgär. Sie setzenalsodasVulgäre
unddenExistentialismusgleich.Dannwäre icheinNaturalist…‘
Der ‚Bürgerliche‘ brach daraufhin die Unterhaltung ab.Was würdeMonsieur Sartre
darauf sagen? ‚…undwennwirNaturalistensind,dannkannmansichnurwundern,daß
wirwesentlichmehr abstoßenundpeinlich berühren, als es der eigentlicheNaturalismus
tut. Jemand, der dieWeisheit der Völker kennt– die recht traurig ist– , findet uns noch
trauriger. JedeHandlung, die sich nicht in eine Tradition einfügt, ist Romantik… ‘ –Die
ExistentialistenfügensichinkeineTraditionein:sindsiealsoRomantiker?19
Österreichische RedakteurInnen, die den Existentialismus nicht selten als
„Schlagwort […],mit dem indenRevuenFangball gespieltwird“20, aufgreifen–
analog zuKästners vielfältig einsetzbarem „Donnerwort“– ziehen insbesondere
IstderExistentialismuseinHumanismus?alsFundusheran.Nebendemcharakte-
ristischen Duktus des Existentialismus werden als integrale Aspekte Kleidung
undGesichtsbehaarungdervonihmBetroffenenvorgeführt:
Jene,dieauf jedenFalldagegensind,bewitzelndieBärte,dienochmancheder Jünger tra-
gen.EinerdieserBärtigenmeinteaufeinediesbezüglichebissigeBemerkungeines ‚Bürger-
lichen‘: ‚Sie stört es, weil ich einenBackenbart trage?Washätten Sie vor vierzehn Tagen
gesagt,dahatte ichnocheinenVollbart!UndeinenMonatvorhereinenSchnurrbart…‘
‚Sieglaubenwohl,aufdieseWeise rechtoriginell zuwirken,wie?‘
‚Möglich, eines jedochauf jedenFall: ich führedasBarttragenansichadabsurdum.
FindenSiedasnichtauch?–EinmalBacke,einmalOberlippe,absurd,was?‘
‚SiesindeinExistentialist.‘21
Noch1954kommtmanimBoulevardblattBild-Telegrafaufdie ingewissenWie-
nerKreisen verbreitete „merkwürdigeHaar- undBarttracht“ zu sprechen, rich-
tigstellend, dass diese „vor vielen Jahren in Paris en vogue war und als
modern-existentialistisch galt, hier inWien aber unter einem dichten Filz oft
18 Sartre:L’Existentialismeestunhumanisme,S.23f.
19 Z.-F.:WienerExistentialisten flüchten ins„Exil“. In:DiePresse, 22.01.1955.
20 S.F.:Besuchbei Jean-PaulSartre. In:DiePresse, 12.07.1952.
21 Z.-F.:WienerExistentialisten flüchten ins„Exil“. In:DiePresse, 22.01.1955.
5.1 Modeundmodedevie:VonSt.Germain-des-Prészum„Strohkoffer“ 101
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur