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denKellerräumlichkeiten unter der LoosschenKärntner Bar (imKärntner Durch-
gang10, inder InnerenStadtWiens) einClublokalmitGaleriebetriebzuTageszei-
ten. Die vom Bildhauer Fritz Wotruba erdachte Bezeichnung „Strohkoffer“ geht
zurück auf die geringeGrößeunddiemangels Tapetenmit Schilf ausgekleideten
Wände.„DasLokalwardamals inWieneineausgesprocheneAttraktion.DieLeute
drängtensichwiedieominösenSardinen inderBüchse“46,erinnert sichderMusi-
ker Paul Kont; der Kunsthistoriker Alfred Schmeller betont, dass „der acht mal
sechsMetermessende, rauchgeschwängerte ‚Strohkoffer‘“47diesemAnsturmnicht
gewachsenwar: „Jeden Abendwar das Lokal, das für sechzig Leute zugelassen
war, gerammelt voll. BeimanchenVeranstaltungen standendieBesucher auf der
Stiege,bishinaufaufdieStraße.“48Durch„einige turbulente feste“49wirdderOrt
schnell zum „Zentrum für alle Jungen“50, zum „Anziehungspunkt eines vielfälti-
gen Publikums, gemischt aus bärtigenMalern, Kabarettgrößen, kleinenKunstge-
werblerinnen,Hofräten,StarsvonBühneundFilm,Journalisten, Industriellenund
Aristokraten“51. Die Diversität fördert ein Ineinanderübergehen der Künste, so
Kont:„Künstler interessiertensichfürMusikalisches,Musiker fürLiteratur,Schrift-
steller fürbildendeKunst.“52DieseWienerSymbioseerkenntdieTageszeitungDie
Pressealseinzigartigan:
Mansucht inWienkeinVorbild,weilmansich selbst genügt–undweilmanvernünftig
ist. Es gibt nirgends sonst– auch imAuslandnicht– einenKlub, indemalleKunstrich-
tungen, sowohldiebildendeals auchdieMusikunddieLiteratur, aber auchdieGraphik
unddiekünstlerischePhotographie,vertretensind.53
Der Vergleich mit Frankreich, dem europäischen „Nervenzentrum des Geis-
tes“54, liegt dennochstets aufderHand, soauch, als IngeborgBachmannPaul
Celan von einemClub-Besuch imFebruar 1952 schreibt: „Rundumunswar es
ein bisschenwie Paris, und auch die Menschen sahen fast so aus wie die im
46 PaulKont:VonderMusikher (1981). In:Breicha (Hg.):DerArtClub inÖsterreich,S.46–47,
hierS.46.
47 AlfredSchmeller: Es rieselt imGebälkdesArt Clubs. In:Breicha (Hg.):DerArt Club inÖs-
terreich,S. 28–30,hierS.30. [Zuerst in:NeuerKurier, 24.05.1955.]
48 AlfredSchmeller: EinSammelsurium (1980). In: Breicha (Hg.):DerArt Club inÖsterreich,
S.31–34,hierS.33.
49 Rühm:dasphänomen„wienergruppe“,S. 17.
50 Schmeller:EinSammelsurium,S.33.
51 Schmeller:Es rieselt imGebälkdesArtClubs,S.30.
52 Kont:VonderMusikher,S.47.
53 Z.-F.:WienerExistentialisten flüchten ins„Exil“. In:DiePresse, 22.01.1955.
54 o.V.:Die französischeDichtungderGegenwart. In:Weltpresse, 21.02.1946.
106 5 DerExistentialismusalsSubkultur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur