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divertissementnationaldesÉtats-Unis“199),nachdemerbereits indenzwanziger
JahrendenInternationalismus(„[i]nternationalisme“200)dieserseineeigeneEpo-
che kennzeichnenden Musikrichtung betont hat. Durch die Universalität des
transnationalen Idiomshat sich inder Zwischenzeit der amerikanische Jazzmit
demfranzösischenExistentialismusamalgamierenkönnen,umdannalsEinheit
„Jazz und Sartre“201 im deutschsprachigen Raum rezipiert zuwerden, zugleich
mit dem von der US-Besatzung angeregten (und von der sowjetrussischen als
„decadentandalien“202angesehenen)Jazz-Import.
Der Jazz ist integraler Bestandteil des Sartreschen auf Mode und Lebensstil
ausgedehnten Metafeldes. Während die Kerngruppe der philosophisch-literari-
schenStrömungüberschaubar ist, gibt es einenbeträchtlichen„Kreis vonSympa-
thisanten und Nachahmern“, deren Engagement für die Sache sich vielfach auf
„die Übernahme des äußeren Habitus oder eine allgemeine Begeisterung für
die Jazzmusik reduzierte.“203 Der Jazz scheint der kleinste gemeinsame Nenner,
wieStephanBraese fürdenbundesdeutschenKontext festhält:Umzur Jugendbe-
wegung zu werden, „bedurfte es der Flankierung durch eine französische Jazz-
Szene, die–gleichsamalsVerstärker– tatsächliche oder auchnur vermeintliche
MerkmaledesExistentialismusüberzeugend in sichaufnahmundverbreitete.“204
Konfrontiertmit demResultatmuss JeanAméry sichwundern,wieso „echte und
falsche Studentlein, welche Metaphysik und Be-Bop verwechselten, sich als
199 Jean-Paul Sartre: Nick’s Bar, NewYork City. In: Contat undRybalka (Hg.): Les Écrits de
Sartre,S.680–682,hierS.682. [Zuerst in:America, 1947,Nr. 5 (Jazz47).]
200 Jean-Paul Sartre: Fragment sur le jazz. In: Contat undRybalka (Hg.): Écrits de jeunesse.
Paris 1990,S. 357–361,hier S. 360.Cf.DinaGusejnova: JazzAnxietyand theEuropeanFearof
CulturalChange:TowardsaTransnationalHistoryofaPoliticalEmotion. In:CulturalHistory5
(2016),Nr. 1,S. 26–50.
201 Deisl: ImPulsderNacht,S. 16.
202 Judt:Postwar,S. 224.
203 Heinz-HermannKrüger:VielLärmumsNichts? Jugendliche„Existentialisten“ inden50er
Jahren.Spurensuche. In:Bucher,DeutscherWerkbunde.V.undWürttembergischerKunstver-
einStuttgart (Hg.):SchockundSchöpfung. Jugendästhetik im20. Jahrhundert.Darmstadtund
Neuwied1986,S.263–268,hierS. 268.
204 StephanBraese:Die „Exis“: Einewestdeutsche JugendbewegungausdemGeiste desPa-
riser Jazz. In: Braese und Vogel-Klein (Hg.): Zwischen Kahlschlag und Rive Gauche, S. 199–
213, hier S. 204. Als personifizierte Verbindung von Jazz und Existentialismus tritt hierMiles
Davisauf,derwiederholt aufSartre trifft, eineLiaisonmit JulietteGrécoeingehtundüberlegt,
imvergleichsweise repressionsfreienFrankreichzubleiben:„everynight Iwouldgoout to the
clubswithSartreandJulietteandwewould just sit in theoutsidecafesanddrinkwineandeat
and talk. Juliette askedme to stay.EvenSartre said, ‚Whydon’t youand Juliettegetmarried?‘
But I didn’t. I stayed aweek or two, fell in love with Juliette andwith Paris and then left.“
MilesDavis,QuincyTroupe:Miles.TheAutobiography.London2012 [1990],S. 117.
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 133
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur