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Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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sindStatisten.WennderRainereinenAbendsieht,dannsagtergleich,daßdieserAbend einmelancholischerWaffenstillstand ist, indemdasLebenerloschen ist.179 Er wiederholt, wie auswendig gelernt: „Wo das Leben erloschen ist, ist der AbendwieeinmelancholischerWaffenstillstand,machtunsCamusglaubhaft“, undwählt zurErreichungdieses„trêvemélancolique“dieeigenhändigeAuslö- schungseinerFamilie: Die Welt hat eine zärtliche Gleichgültigkeit, sagt Camus. Man muß ihre Feindseligkeit hinter sich lassen, sagt Camus.Wenn einemdieHoffnungweggenommen ist, dann hat mandieGegenwart ganz in derHand,man ist selber dieWirklichkeit, und alle anderen sindStatisten.Dassindsiesowieso.180 Wer nichts mehr zu erhoffen hat –wie auch Sisyphos durch seine nutz- und hoffnungslose Tätigkeit („travail inutile et sans espoir“181) des ewigenFelsbro- ckenschiebens– ,wirdbei SartreundCamusaufbesondereWeise frei.DieGe- wissheit der zum Tode Verurteilten, ihre göttliche Verantwortungslosigkeit („‚divine irresponsabilité‘ du condamné à mort“182), stellt zugleich einen Ex- tremfall reinerVerzweiflungdar („où ledésespoir soit pur“183). Alle konventio- nellenVorstellungenundSinngebungenfallenvon ihnenab,alle traditionellen Werte verkehren sich,wasdieMenschenwirklichbefreie, notiert Camus in sei- nenCarnets („[l]’hommevraiment libre est celui qui, acceptant lamort comme telle, enacceptedumêmecouplesconséquences–c’est-à-dire le renversement de toutes les valeurs traditionnelles de la vie“184). Diese sich imAngesicht des Todes realisierende Befreiung entspricht, insofern als keine (die Freiheit im Sartreschen Sinne konstituierenden) Entwürfe in die Zukunft mehr möglich sind,einer„VergleichgültigungderWeltdingeund-tatsachenzusinnentleerten AnsammlungenkontingenterPhänomene,die inert sind, trägeundunbeteiligt, und namenlos die Augen des Klarsichtigen erfüllen.“185 In Camus’ La Peste etwa sind diejenigen EinwohnerInnen der nach außen hin abgeschlossenen Stadt Oran, die die Pest überleben, bald von „einer eigenartigenGleichgültig- 179 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 254,54. 180 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 256;cf.S. 206. 181 Camus:LeMythedeSisyphe,S. 163. 182 Jean-Paul Sartre: Explicationde „L’Étranger“ (1943). In: Sartre: Situations, I. Essais criti- ques.Paris 1947,S.92–112,hierS.96. 183 AlbertCamus:Carnets I.Mai 1935– février 1942.Paris 1962,S. 141. 184 AlbertCamus:Carnets I.Mai 1935– février 1942.Paris 1962,S. 118. 185 ManfredGeier: DasGlück der Gleichgültigen. Vonder stoischen Seelenruhe zur postmo- dernenIndifferenz.Reinbek1997,S. 190. 6.3 LiteraturunterdemGalgen:Grenzsituationen 179
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Existentialismus in Österreich Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Title
Existentialismus in Österreich
Subtitle
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Author
Juliane Werner
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-068306-6
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
378
Category
Kunst und Kultur
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