Page - 215 - in Existentialismus in Ă–sterreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Image of the Page - 215 -
Text of the Page - 215 -
Die Liste dessen,wasOkopenkound seineMitstreiterInnenbeineuewege, der
kulturzeitschrift junger menschen (von 1945–1948 Theater der Jugend), als mo-
dernauffassen, istentsprechendlang:
Im Weltanschaulichen waren es linksgeneigte Sozialkritik, Kahlschlag-NĂĽchternheit,
Existentialismus, humanistisches Anständigkeits-Ideal, zugleich Freiheit der Phantasie,
Antiphilistertum; imÄsthetischenbewegtees sichvorallemzwischenderSprachfaszina-
tion elliptischer, präziser, kondensierter Stile (Brechts, Hölderlins, Jüngers, Kafkas, Ril-
kes), der EloquenzEliots, Eluards,Whitmans, demBildzauber protokolliertenMomentes
unddemReizsurrealenErlebensundAusdrucks.353
Ähnlich Okopenko, als vom Surrealismus beeinflusstem Avantgardisten, dem
„die Etikette des existentialistischen Autors aufgeklebt“354 worden ist, befasst
sichdie jungeDichterinHerthaKräftnernichtnurmit Sartre (cf. Kap. 5.1), son-
dern ebenfallsmit derPlanungeinerDissertationmit demTitel „DieStilprinzi-
pien des Surrealismus nachgewiesen an Franz Kafka“355. Selbst bei Konrad
Bayer, den der Surrealismus „ungeheuer beeindruckt“356, trifft der Existentia-
lismus auf „starkes interesse“357, ohnedass sichdies in seinen (oderKräftners
undOkopenkos) literarischenWerkensonderlichspiegelt.358
DieVerschränkungvonSurrealismusundExistentialismus illustriert auch,
was die Transfertheorie unter Resemantisierung versteht, der Anverwandlung
eines Kulturguts nach eigenen Bedürfnissen undMaßstäben. So urteilt Alfred
Schmeller, die „surrealistischeGruppe“ inÖsterreich existiert, „ohnegenau zu
wissen,wasSurrealismuswirklich ist“359,AlbertParisGüterslohsagtaus,„daß
der wienerische Surrealismus nur aus Mangel eines betreffenden Namens so
heißt, also fast keineÄhnlichkeitmit demanderswonoch geübtenoder schon
353 Okopenko:DieschwierigenAnfängeösterreichischerProgressivliteraturnach1945,S. 2f.
354 Okopenko:Engagement,S. 214.
355 Scholl:Sex,GottundAlkohol–HerthaKräftners„PariserTagebuch“,S. 130.
356 KonradBayer:autobiografischeskizze. In:Weibel (Hg.):diewienergruppe,S. 721.
357 KonradBayer. Zit. n. Englerth,GaustererundKaukoreit:Ă–sterreichsLiteraturzeitschriften
1945–1990 imÜberblick,S. 19.Bayerbietet in seinemam03.09.1964 imTimesLiterarySupple-
menterschienenenArtikel„theviennagroup“eineweitere,quantitativeErklärung fürdiezeit-
gleicheRezeptionvon imAusland teils schonüberholtenStrömungen: „in thosedayswehad
tomaster thesemovementsof thepast inorder towardoff thepre-past thatwas threatening to
engulfus.“KonradBayer. In:Weibel (Hg.):diewienergruppe,S.31.
358 Somacht sichetwaOkopenko,derSartresWas ist Literatur?als JugendlektĂĽre empfiehlt,
„Mitteilung, treuherzig geglaubte, über EindrückeundVerhalte aus einer treuherzig geglaub-
tenWirklichkeit“ zum sehr experimentell umgesetzten literarischenGebot. Okopenko:Meine
WegezumSchriftsteller,S. 117.
359 Schmeller:EinSammelsurium,S.33.
6.4 LittératureengagéezwischenSprachskepsisundEngagement 215
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur