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Aufdeckaktionen (als „action par dévoilement“449) sind daran AutorInnen wie
ThomasBernhard (1931–1989)unddie fünfzehn Jahre jüngereundseit densieb-
ziger Jahren aktive Elfriede Jelinek, deren Werk ebenfalls „die Dinge beim
Namen nennt“450. In einemweiteren Transferschritt wird Sartre schließlich als
symbolischerRĂĽckvermittler genaudieser LiteratInnennachFrankreichdienen,
deutetValérieDeDaran:
Bis in die 1980er Jahre diente Sartreweiterhin als unsichtbaresMedium fĂĽr den Import
ausländischerSchriftstelleroder IntellektuellernachFrankreich,die sich,wieer,umden
Rangdes „totalen Intellektuellen“bewarben (ohnenotwendigerweise ganz dahin zu ge-
langen),diedasEngagement (derLinken)verkörpertenoderalsGründungsgewissen (der
Kommunistischen Partei) auftraten. Wäre die Jelinek-Rezeption in Frankreich nicht an-
dersausgefallen,wennSartrenichteinensolchenEinflussausgeübthätte?451
(Jusque dans les années 1980, Sartre continue de servir de vecteur invisible à l’importa-
tion enFrancedes écrivains ou intellectuels étrangers qui, comme lui, postulent au rang
d’„intellectuel total“ (sans nécessairement y accéder pleinement), incarnent l’engage-
ment (de gauche) ou se posent en conscience fondatrice (du parti communiste). Qu’en
aurait-il été de la réception de Jelinek en France si Sartre n’avait exercé une telle
influence?)452
Prägend sinddieGeschehnisse der achtziger Jahre auch für dieGenerationöster-
reichischer Intellektueller, die seinerzeit erstmals in Erscheinung tritt, so fĂĽr den
1954 geborenen Schriftsteller und Essayisten RobertMenasse, der sich direkt auf
449 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 28. Inder 1969vonPeterHenischundHelmutZenker
gegründeten Zeitschriftwespennest finden sich zahlreiche sozialkritisch-engagierte Beiträge, ins-
besondere auch in den 1980er Jahren (cf. etwa in der Juni-Nummer 1984, Nr. 55: Jochen C.
Schütze: Schreiben, Lesen als imaginäre Politik. Anmerkungen zu Sartres engagierter Literatur-
theorie).DassdieBeschäftigungmitSartresLiteraturtheoriebis indieGegenwart reicht,zeigtetwa
RuthAspöcks 2016 inWien erschienener autofiktionaler TextDie alteDichterin, die Literatur und
dieKunst.EinDiskursmitPoesie.VordemHintergrundeinererstenLektĂĽrevonWas istLiteratur?
1971wird45 Jahrespäterdaringefragt:„WieschnellveraltenTexte? Jean-PaulSartre,dersoaktu-
ell und erfolgreich war und weltweit gelesen wurde, macht Vergleiche und Anspielungen, die
ElizabethsGeneration, jene,dienachdemZweitenWeltkrieggeborenwurde,nicht,undnochwe-
nigerderenKinderundEnkelverstehen.“ (S. 118)DieErzählerinerbringtmitknapp80sichmeist
über mehrere Sätze erstreckenden, größtenteils unkommentiert Zitaten ausWas ist Literatur?
selbstdenGegenbeweisundkommtzudemSchluss:Sartrehat inÖsterreich„eineganzeGenera-
tionvonSchriftstellernundIntellektuellenbeeinflusst“ (S.230).
450 ThomasBernhard:Monologe aufMallorca (1981). [InterviewmitKrista Fleischmann.] In:
Bernhard: Thomas Bernhard. Eine Begegnung. Gesprächemit Krista Fleischmann. Frankfurt
amMain2007,S. 11–89,hierS. 79.
451 DeDaran:Étuded’untransfert littéraire,S.308. [Übers.d.Verf.]
452 DeDaran:Étuded’untransfert littéraire,S. 308.
6.4 LittératureengagéezwischenSprachskepsisundEngagement 229
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur