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kommt das Nicht-Bemühen umprogressive ForscherInnenwie Kurt Gödel und
KarlPopper.VertreterInnenundSchülerInnendes„WienerKreises“umden1936
ermordetenMoritzSchlickkehrennicht zurück;ViktorKraft,derabdemWinter-
semester 1945/46 Lehrveranstaltungen wie „Der Neopositivismus des ‚Wiener
Kreises‘“ anbietet, bildet eine Ausnahme. Sich fortan von der als belanglos,
„banalundtrivial“diskreditiertenangelsächsischenWeiterentwicklungderAna-
lytischenPhilosophie entfernend, hatmanRudolfHaller zufolge „mit allenMit-
teln“70 die Fortsetzung des Brentano-Kreiseswie des „Wiener Kreises“ inWien
verhindert. So bleibt der 1946 unternommene Versuch eines PariserDer Turm-
Korrespondenten, dem Lesepublikum die Existentialismus-Vermittlung zu er-
leichtern, indemeraufBrentanoals „Stammvaterdes realistischenPhilosophie-
rens inÖsterreich“71verweist,vonfraglichemNutzen(cf.Kap.4.3).
In einer überwiegend konservativ und neo-klerikal gesinnten Hochschulland-
schaft vollzieht sich der Transfer von existentialistischen Inhalten in Kombination
mit traditionelleren Denkmustern von Augustinus, Thomas von Aquin, Kant und
Hegel.72Vermittelnd tretenmitErichHeintelundLeoGabriel zweiWissenschaftler
der Universität Wien besonders hervor, Ersterer ablehnend, Letzterer befür-
wortend. Gabriel, schon im Ständestaat als Kulturfunktionär und Lehrer
aktiv, wird die Wiener Philosophie mit seiner ganzheitlichen „Integralen
Logik“abMittedersechziger Jahre für langeZeitprägen.73Nichtzuletztausdem
seinerzeitverbreitetenBedürfnis,„dieausderKatastropheneuerwachseneSinn-
frage“74 zubeantworten, überwindet er verbindenddie „Kluft zwischenkatholi-
scher Philosophie einerseits und der Existenzphilosophie andererseits“75, von
70 Haller:DiephilosophischeEntwicklung inÖsterreichamBeginnderZweitenRepublik, S. 172,
168.EinSchlick-undReininger-Schüler,dernachdemZweitenWeltkriegnichtnachWienzurück-
kehrt,unddermit seinemWerkLaFilosofiadeSartre yelPsicoanalisisExistencialista (1951) /Sar-
tre: His Philosophy and Psychoanalysis (1953) zur Existentialismus-Rezeption in den Vereinigten
StaatenundinLateinamerikabeiträgt, istderösterreichisch-amerikanischePhilosophAlfredStern.
71 Kampits:ZwischenScheinundWirklichkeit,S. 17.
72 Cf.Haller:DiephilosophischeEntwicklung inÖsterreichamBeginnder ZweitenRepublik,
S. 171.
73 Cf. Friedrich Stadler: Philosophie – Zwischen „Anschluss“ und Ausschluss, Restauration
und Innovation. In: Grandner, Heiss, Rathkolb (Hg.): Zukunft mit Altlasten, S. 121–136, hier
S. 124. Cf. Hans-Joachim Dahms und Friedrich Stadler: Die Philosophie an der Universität
Wienvon1848biszurGegenwart. In:Kniefacz,Nemeth,PoschundStadler (Hg.):Universität–
Forschung–Lehre.ThemenundPerspektiven imlangen20. Jahrhundert. (650 JahreUniversi-
tätWien–Aufbruch insneueJahrhundert,Bd. 1.)Göttingen2015,S. 77–131.
74 Haller: Die philosophische Entwicklung in Österreich am Beginn der Zweiten Republik,
S. 164.
75 IngeborgBachmann:DiekritischeAufnahmederExistentialphilosophieMartinHeideggers
(DissertationWien1949).Hg.vonRobertPichl,NachwortvonFriedrichWallner.München,Zü-
244 7 DiePhilosophiedesExistentialismus inForschung,LehreundKritik
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur