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„dieBegegnungmitdemDu“95;dieBedeutungder (wennauchkonfliktreichen)
Zwischenmenschlichkeit inderPhilosophieSartresbleibthierausgeblendet.
Damit rücktMarcel in die Nähe des österreichischen Philosophen Ferdinand
Ebner, welcher in denAugen seiner BefürworterInnen „die nihilistische Tendenz
desextremenExistentialismusdurchdasBedenkenderzwischenmenschlichenBe-
ziehung imWort“96 überwindet, sowie vonMartin Buber, demTheoretiker jener
Ich-Du-Beziehung,der sichdie in religiösenDingenanmaßendenExistentialistIn-
nen, „die unserer Zeit die Richtung gaben“97, widersetzen, so der Schriftsteller
KurtBenesch.DieNamenBuberundEbner,wieauchderdesebenfallsaufDialog
setzendendeutschenchristlichenExistenzphilosophenPeterWust, fallen invielen
österreichischen Abhandlungen zur Existenzphilosophie – bisweilen sogar unter
demStichwortExistentialismus– , neben jenenHeideggers, Jaspers’,Marcelsund
Sartres, so in Leo Gabriels Existenzphilosophie von Kierkegaard bis Sartre (1951),
AmadeoSilva-TaroucasDieLogikderAngst (1953), JohannFischls Idealismus,Rea-
lismusundExistentialismusderGegenwart (1954)undLeopoldProhaskasExistenti-
alismus und Pädagogik (1955). Die mit Kierkegaard startende Entwicklung des
existenzphilosophischenGeistessiehtProhaskabeiSartrewegenseiner„feindseli-
genEinstellungzumandern“aneinemTiefpunktangelangt:
VonderHöheeinernochchristlichenAuffassungeinesKierkegaardüberdieExistenzerhel-
lung eines Jaspers sinkt die Linie zu der atheistischen Seinsbeschränkung nihilistischer
und pessimistischer Prägung eines Sartre hinab: dasmenschliche Daseinwird nicht nur
ekeligempfunden,sondernauchabsurdausgelegt.98
Die österreichischeNachkriegsphilosophie erlegt sichvordiesemHintergrunddie
Aufgabeauf, demorientierungslosenmodernenMenschen „in seinerRatlosigkeit
Haltzubieten“, stattdieRatlosigkeitnochdurch„eineverwirrendeFüllevonneu-
artigenAnsätzen, Denkmethodenund Lehren“ zu verstärken, die „leicht ein Ge-
fühl des Schauders und dann der Hoffnungslosigkeit“99 erzeugt. So wundert es
nicht,wennderHochschullehrerHansWindischer, dessenStudie Idealismusund
Existenzphilosophievon1947nurerwähnt,dasses„fastModegeworden“sei,über
Existenzphilosophie zu sprechen in den gegenwärtigen „Krisenzeiten“100, seine
95 Jacob:DasGeheimnisdesSeinsvonGabrielMarcel. In:GeistigesFrankreich, 29.12.1952.
96 Prohaska:ExistentialismusundPädagogik,S.86.
97 Kurt Benesch: Lehrend, leitend, tröstend. ZumWerkMartin Bubers. In:Wort in der Zeit 7
(1961),Nr.3,S.1–4,hierS.3.
98 Prohaska:ExistentialismusundPädagogik,S. 112, 53.
99Wolfgang Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Eine historisch-
kritischeEinfĂĽhrung.Wien1952,S.5,8.
100 HansWindischer: IdealismusundExistenzphilosophie. EineStudie. Salzburg 1947, S. 27,
15.
250 7 DiePhilosophiedesExistentialismus inForschung,LehreundKritik
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur