Page - 276 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Image of the Page - 276 -
Text of the Page - 276 -
November1952 festhält;derWeltfriedensrathabeseineFriedens-Kampagneausge-
weitet„withaviewto raking inall thosewho, forany reasonwhatsoever,were in
favour,or thought theywere in favour,ofmaintainingpeace.“48DieStrategie,die
unpolitische Ausrichtung des Kongresses hervorzuheben, hat Erfolg: Rund ein
Viertel der Teilnehmer gilt als ohne Nahverhältnis zum Kommunismus. Sartres
Vernehmen nach sind wenig KommunistInnen zugegen; Simone de Beauvoir
schätzt inLaForcedeschoses ihrenAnteilaufeinFünftelderBesucherInnen.49
AlsBeitragzurBeendigungdesKaltenKriegseinberufen, istderwichtigsteBe-
schluss des „Völkerkongresses für den Frieden“die von einem 19-köpfigenDele-
giertInnen-Komitee „in der ganzen Welt“ bekanntzumachende „Adresse an die
fünfGroßmächte“50,welcheVerständigungund ineinenFriedenspaktmündende
Verhandlungen fordert. Spezifizierungen des Anliegens (Abrüstung, Verbot von
Atomwaffen) stellendieAusnahmedar,„eine tatsächliche,kontroversielleDiskus-
sion fandkaumstatt“51,wieManfredMugrauer schreibt.Unverfänglich fällt schon
Sartres Ansprache amEröffnungsabend aus; er hält sich in seinemPlädoyer zur
internationalen Befriedung („pacification internationale“52) an „einfache, sogar
primitiveWorte“53, wundert sich Günther Steffen inDie Zeit. Sartre würdigt den
Dialog konkreterMenschen– anstelle des als abstrakt empfundenen PolitikerIn-
nen-Vorgehens,übereinenatomaren,vonderVerantwortungdesEinzelnenvöllig
losgelöstenKriegzuentscheiden54–undbegeistert sich fürdieZusammengehörig-
keit undRücksichtnahmevorOrt („dans la grande salle duKonzerthausoùnous
faisions audébutplus oumoins figured’invités, chacun s’est senti chez soi, cha-
cun s’est reconnu, avec sonpeuple, dans lesmotions finales“55). Zurück in Paris
berichteteram23.Dezember1952voreinemMassenpublikumimVélodromed’Hi-
ver von dieser außergewöhnlichen Erfahrung, die in ihremVermögen, Hoffnung
zu spenden, eine der dreiwichtigsten seines Erwachsenenlebens sei (nebendem
Frontpopulaire1936undderLibération1944).56
48 [H.Hjorth-Nielsen],NorthAtlanticCouncil:NATOSecretDocument, 10.11.1952 (AC/24-D/16),
S.3.http://archives.nato.int/uploads/r/null/9/1/9177/AC_24-D_16_ENG.pdf (einges.09.01.2019).
49 Cf.Beauvoir:LaForcedeschoses,Bd. 2,S. 20.
50 o.V.:VölkerkongreßfürdenFrieden,S.3.
51 Mugrauer:Eine„reinkommunistischeAngelegenheit“?,S. 142.
52 Jean-PaulSartre: InterventiondeM. Jean-PaulSartre. In:CongrèsdesPeuplespour laPaix,
Serviced’Information [Vienne], 13.12.1952.
53 Günther Steffen: Pilgrimdes „Friedens“. Sartres erster Schritt zur Selbstkritik. In:Die Zeit,
25.12.1952.
54 Sartre: InterventiondeM. Jean-PaulSartre,Serviced’Information [Vienne], 13.12.1952.
55 Sartre:LeCongrèsdeVienne. In:LeMonde,01.01.1953.
56 Cf. Jean-Paul Sartre: Ce que j’ai vu àVienne, c’est la Paix. In: Les Lettres françaises, 01.–
08.01.1953.
276 8 SartreundderkulturelleKalteKrieg
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur