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grundlegendkonservativeHaltung“140 desGrazerHauses als Regel bestätigen,
lässt sich dennochmit Porpaczy fragen, obmanaußerhalb der Einflusssphäre
der französischen Besatzung nicht „letztlich direkter und ‚ungehinderter‘ an
französische Avantgarde herantrat als das Publikum in Innsbruck oder
Wien“141. Für die Arbeiter-Zeitung jedenfalls wird die „Beschämung unserer
Theater, denen das in Graz Selbstverständliche für Wien zu gefährlich er-
scheint“, nur durch eine erste, vonder Bezirksorganisationder Sozialistischen
Partei Fünfhaus (Regie:MaxPfeiler) veranstalteteLesungdesStücks im Jänner
1952 gemildert; auch in diesem kleinenMaßstab zeige sich bereits, wie Sartre
„mutigundentschlossenandieGestaltungbrennender Zeitfragenherangeht“:
„Die Sache, die verhandeltwird, geht alle an, denn es geht umdie stolze und
einsame Freiheit des Menschen. Wer gegen dieses Stück polemisiert, macht
sich verdächtig!“142 Binnen kurzer Zeit wird LesMains sales inWien zu einem
Paradebeispiel für „den eminenten Stellvertretercharakter“143 von Kunst wäh-
renddesKaltenKriegs.
Als der „Völkerkongress für den Frieden“ Ende 1952 naht, sieht Sartre sich
gezwungen, gegen das zeitgleich am Theater am Parkring geplante „Problem-
stück“144 vorzugehen, das ihn zum „Aushängschild desmilitantenAntikommu-
nismus“145 gemacht hat, aus kommunistischer Perspektive gar zu einem der
140 Johann Strutz:… dieDichter dichten, dieMalermalen unddie Komponisten komponie-
ren.Über die Kulturpolitik der Steiermark inden fünfziger Jahren. In:Aspetsberger, Frei und
Lengauer (Hg.): LiteraturderNachkriegszeit, S. 139–154,hier S. 142. Cf. JohannesFeichtinger:
Stimulierung zurModernisierung. Die Aufnahmemoderner französischer Kultur in Graz: ein
regionalesBeispiel fürKulturtransfer. In:AngererundLeRider (Hg.): Französisch-österreichi-
sche Kulturtransfers seit 1945, S. 137–150. Von den 110 Sartre-Inszenierungen, die die Daten-
bank theadok fürdenZeitraum1945bis 2000verzeichnet (Marschall et al.: 50 JahreTheater in
Österreich), entfallen 61 aufWien, neun auf Salzburg, acht auf Klagenfurt, sieben auf Linz,
fünf auf Graz, vier auf Bregenz, je zwei auf Steyr, Innsbruck, Leoben, St. Pölten undAmstet-
ten,und jeeineaufVillach,Eisenstadt,WienerNeustadtundWels.
141 Dies schreibt Porpaczy (Frankreich – Österreich, S. 224) in Bezug auf die positive Auf-
nahmevonHintergeschlossenenTüren inGraz.ÄhnlichwirdsichdieSituation inLinzdarstel-
len,wodasStückEnde1952gespieltwirdund„eine intensive,abersachlicheDiskussionohne
besonderen Aufruhr“ (S. 222) nach sich zieht, während sich inWien die Polemik umSartres
SchmutzigeHände-VerbotdurchseinenVölkerkongress-Auftritt zuspitzt.
142 Kahl: Leseaufführung von Jean-Paul Sartres ‚Die schmutzigen Hände‘. In: Arbeiter-Zei-
tung,23.01.1952.
143 Deutsch-Schreiner:Theater im„Wiederaufbau“,S. 145.
144 o.V.:HerrSartreprotestiert. In:Arbeiter-Zeitung,24.09.54.
145 o.V.: JeanPaulSartre inWien. In:DerAbend,12.12.1952.
8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 293
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur