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verliertderweil denÜberblick:„Erhat sichselbst sooftkritisiert, dementiertund
überholt, daßesgarnicht leicht ist, inwenigenZeilenzusagen,wasdieser Jean-
PaulSartrewirklichwar.“7 InsofernalsVeränderungzudenKonstantendesexis-
tentialistischenDenkenszählt,wagtFranzMayrhofer indenSalzburgerNachrich-
ten das Fazit, dass sich Sartre „in denwesentlichen Zügen treu geblieben“8 ist.
FranzSchuhäußert inseinem„LestSartre!“betiteltenNachruf imProfilebenfalls:
„Sartrewar,sosehrauchdasGegenteilbehauptetwird,niemalseinRichtungsphi-
losoph.“9 Hans Heinz Hahnl, der Sartres Entwicklung in der sozialdemokrati-
schenArbeiter-Zeitung lang verfolgt, sieht einenunabhängigen „Mannzwischen
denFronten,oft genugzwischenallenSesseln,der sichwedervomWestennoch
vomOsteninstitutionalisierenlassenwollte“:
Sowohl inderGeistesgeschichtewie inder politischenGeschichteNachkriegseuropas ist
er als einer der wichtigsten Anreger, Denker, Aktivisten eingegangen. Er hat sich nicht
mitdemWortbegnügt,erhatseinWort immer fürdaseingesetzt,waser für richtiggefun-
denhat,ohneRücksichtauf IdeologienundpolitischeKonstellationen.10
Der beste Beweis für Sartres Gewicht liegt Peter Kampits zufolge darin, „daß
seinAbwesendseinauch jenebestürzt,dieseinemDenkenundHandelndieGe-
folgschaft verweigerten“11. Nichtsdestotrotz gibt es durchaus auch weniger
wohlwollendeBilanzen:Soscheintmanbeideroberösterreichischenchristlich-
sozialen TageszeitungNeues Volksblatt noch immer aufzuatmen, dass Sartres
„Philosophie, die sich einst wie eine ‚Epidemie‘ verbreitet hatte, heute passé
ist“12. ZueinemernüchterndenErgebnis,wasdenspätenSartreangeht, kommt
Rudolf John imKurier: „Erwar inden letzten Jahrenunmoderngeworden, ver-
gessen fast, verdrängt aus der Szene jungenDenkens, als dessen Idol er lange
Zeit figurierte.“13Würdigt derWienerKulturkritiker FriedrichHeer am16.April
1980 ineinemRadio-Gespräch „diesen lebenslang jugendlichen, jugendbeweg-
tenMenschen Sartre“14, gibt ein Text aus seinemNachlass auf die Frage „Wie
viele Jugendenund ihr zugehörigesScheiternhatSartre erlebt?“dieehernega-
7 KurtWimmer:DeralteMannundderTod. In:KleineZeitung, 17.04.1980.
8 FranzMayrhofer:Sartre:TodmitderHoffnung. In:SalzburgerNachrichten, 17.04.1980.
9 Schuh:LestSartre! In:Profil, 21.04.1980.
10 HansHeinzHahnl:DerMannzwischendenFronten. In:Arbeiter-Zeitung, 17.04.1980.
11 PeterKampits: InFreiheit scheitern. In:DieFurche,23.04.1980.
12 o.V.:DerMenschzuFreiheitverurteilt. In:NeuesVolksblatt, 17.04.1980.
13 John:NurSpracheundDenken. In:Kurier, 17.04.1980.
14 FriedrichHeer (imGesprächmit Konrad Zobel): Ö1-Mittagsjournal vom 16.04.1980, 12:12:00-
12:18:46; ÖsterreichischeMediathek. https://www.mediathek.at/atom/08F8A74B-2A0-000DC-
00000EFC-08F80863(einges.09.01.2019).
9 „Ein toterSartre isteinguterSartre“.BilanzundAusblick 313
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur