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Vermittlungsbemühungen des Königs im Mai 81
indessen den Vorteil, daß viele Passagen als im Grunde verglichen betrachtet
wurden.
Die neue Beratung im Kurfürstenrat konnte daher auf die relativ wenigen
strittigen Punkte konzentriert werden282. Das Gremium brauchte dafür zwei
Wochen. Zeitweilig war man nahe daran, nun seinerseits ein zwiespältiges Vo-
tum abzugeben – die Mainzer Befürwortung, „damit die kun. mt. auch etwas zu
thun habe“283, lief freilich dessen Interesse zuwider und war taktisch wenig
klug, weil die Protestanten ja auch darum eine steife Haltung einnahmen, weil
sie Ferdinand als letzten Trumpf der Katholiken einrechneten. Zweimal setzten
Kurpfalz bzw. Kursachsen das Mittel ein, die Weiterberatung zu verweigern,
bis die Geistlichen nachgaben. Was von den Auseinandersetzungen durchsik-
kerte, erregte bei Ferdinand die Besorgnis, das Ergebnis könne gar zu sehr zu-
gunsten der Protestanten ausfallen, eine erwogene Ermahnung an die weltlichen
Kurfürsten, auf mehr Ausgewogenheit zu achten, unterließ der König dann
doch284. Schließlich gelang es dem Kurfürstenrat nochmals, sich auf ein gemein-
sames Bedenken zu verständigen, das am 3. Juni dem Fürstenrat mitgeteilt wur-
de285. Die strittigen Punkte waren darin folgendermaßen geregelt: Das Recht
der Untertanen, aus Glaubensgründen auszuwandern, das die Katholiken ja
nicht bekämpft hatten, war mit einer von Mainz geforderten Ergänzung über
die Freigabe von Leibeigenen angenommen (Art. 11 des endgültigen Textes)286,
ebenso die von den Katholiken gewünschte sprachliche Präzisierung des Ab-
werbungsverbots (Art. 10). Die Garantie für Ritterschaft und Hansestädte war
weggefallen. Nach langen Auseinandersetzungen hatten die Katholiken auf den
Gewissensvorbehalt der Geistlichen verzichtet, als Gegenleistung war das an-
stößige „zu was zeit“ durch die Wendung „von wegen der Augsburgischen
Konfession“ ersetzt worden (Art. 3), was nach Meinung Kursachsens die
grundsätzliche Freistellung ebenfalls gewährleistete287. Auch war im Sinne der
Protestanten der Friede nun doch als ewiger charakterisiert (Art. 12). Bei den
eingezogenen geistlichen Gütern hatten die katholischen Kurfürsten auf das
Normaljahr 1547 verzichtet, stattdessen sollte der Zustand zur Zeit des Passau-
er Vertrages gelten. Die Bestimmungen zu den schwebenden Verfahren waren
neu und sehr viel ausführlicher gefaßt288. Für den Artikel über die geistliche
Jurisdiktion hatte man zuletzt eine Neufassung gefunden, in der es hieß, sie
solle bis zur Religionsvergleichung nicht gegen die Augsburgische Konfession
ausgeübt werden, sondern ruhen, während sie in allen anderen Fragen erhalten
282 Nützliche Auflistung bei Wolf, Religionsfrieden, S. 122f.
283 Zu diesen Beratungen vgl. Ernst, Bw. 3, S. 206–209 (Anm.), das Zitat S. 208; Wolf, Religions-
frieden, S. 123ff.
284 Lutz/Kohler, S. 65f.
285 Ungedruckt; eine Kopie im NWStA Münster, FML 473 Bd. 3a, fol 217ff.
286 Gegen die ausdrückliche Nennung der kaiserlichen Untertanen hatte Trier eingewandt, über des
Kaisers Erblande habe man nicht zu befinden (Ernst, Bw. 3, S. 207 Anm); dennoch blieb das
Adjektiv stehen.
287 Ernst, Bw. 3, S. 208 Anm.; Schwabe, S. 271f; Wolf, Religionsfrieden, S. 125f.
288 Wortlaut bei Ernst, Bw. 3, S. 208 Anm.; diese längere Fassung ist nicht Bestandteil des endgülti-
gen Textes geworden.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien