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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden88
weil der König in wenigen Tagen zu verreisen beabsichtige319. Entsprechend
undifferenziert blieb ihre Stellungnahme, die Sympathie für eine allgemeine
Religionsfreiheit bekundete, das Jus emigrandi der Untertanen ausdrücklich
begrüßte und bedauerte, daß es wegen der Hansestädte zu Streit in den oberen
Kurien gekommen sei320.
Das dem König überreichte Bedenken der Reichsstände enthielt die folgen-
den Punkte: Das allgemeine grundsätzliche Friedensgebot [2]321; die wechsel-
seitige Friedenszusage der Katholiken an die Augsburger Konfessionsver-
wandten [3] und der Protestanten an die Anhänger der „alten Religion“ [4],
wobei erstere nach dem Zusatzantrag der Evangelischen noch auf die Ritter-
schaft und die Hansestädte ausgedehnt werden sollte, während die Katholiken
den „Geistlichen Vorbehalt“ als Ergänzung verlangten322; die Beschränkung des
Friedens auf diese beiden „Religionen“ [5]; die Anerkennung des Status quo
von 1552 bei der Verfügung über die geistlichen Güter [7]; die Suspendierung
der Jurisdiktion der Geistlichen in den protestantischen Territorien [8]; die
Besitzstandwahrung bei Abgaben samt schiedsgerichtlicher Regelung in Streit-
fällen [9]; das Verbot der Abwerbung von Untertanen [10]; das Auswande-
rungsrecht der Untertanen [11]; die Dauer des Friedens bis zur gütlichen Eini-
gung über die Fragen des Glaubens bzw., falls der Vergleich mißlingen sollte,
auch darüber hinaus, also den „ewigwährenden“ Frieden [12]; die Ungültigkeit
entgegenstehender Regelungen [15].
In der Ansprache, die der Mainzer Kanzler am 21. Juni bei der Überreichung
des Ständebedenkens an König Ferdinand hielt323, war am wichtigsten die Er-
klärung, sofern es nicht zu einer Einigung über die Exekution des Landfriedens
käme, „das sie sich abgesondert in disem artikel auch nit wolten eingelassen
haben“324. Die Reichsstände erkannten also an, daß der Religionsfriede nicht
isoliert von der sonstigen Friedenssicherung geschlossen werden könne, und
erklärten sich bereit, nun auch die anderen Punkte der Proposition umgehend
zu erörtern. Der König wurde gebeten, über die beiden strittigen Probleme der
Replik „allergnedigst nachzusynnen“ – die Protestanten hatten Wert darauf
gelegt, daß „damit kein resolution oder entscheid von irer Mt., sonder allein irer
Mt. rath und gutbedunken darunder begert wurd“325. So formelhaft die Ant-
wort, die Ferdinand durch Jonas erteilen ließ, heute auch wirkt, so wohlbedacht
war die Bemerkung, Kaiser und König verfolgten mit dem Reichstag kein ande-
res Ziel, als „den gemeinen nutz, fried und aynigkeyt zu befurdern und in
wirklich erhaltung zu richten, domit alles missvertrauen, auch die schedliche
zweyung und emporung genzlich ufgehoben und das heylig reich bey seinen
319 Friedensburg, S. 57
320 Wortlaut der Stellungnahme der Städtekurie bei Lehmann I, S. 26f.
321 Die Ziffern in eckigen Klammern bezeichnen die Artikel des Religionsfriedens (Zählung Brandi)
322 Beide „Additionen“ waren hinter der katholischen Zusage plaziert, s. Lehmann I S. 25 linke
Spalte.
323 Neben dem bei Lehmann I, S. 29f publizierten Protokoll ist jetzt der eingehende Bericht des
kaiserlichen Kommissars Hornung verfügbar (Lutz/Kohler, S. 68–71).
324 Lutz/Kohler, S. 69; vgl. auch den darüber irritierten Bericht der Straßburger Gesandten (PCSS 5,
S. 615).
325 PCSS 5, S. 615; vgl. Ernst, Bw. 3, S. 238f.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien