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Vorentscheidung im Juli und August: Resolution oder Prorogation 93
Untertanen des Kaisers oder landsässig, so daß es den Reichsständen nicht zu-
komme, für sie Regeln aufzustellen oder sie gegen ihre Obrigkeit in Schutz zu
nehmen; im Blick auf Hanse- und Seestädte sei der Artikel sogar überflüssig,
denn entweder wären sie als Reichsstädte in den Frieden einbezogen oder aber
landsässig351.
Ferner schlug Ferdinand die Aufnahme eines neuen Artikels vor, der für
Reichsstädte, in denen seit einigen Jahren beide Konfessionen praktiziert wür-
den, auch für die Zukunft ein friedliches Nebeneinander gewährleisten und
Versuche innerhalb der Bürgerschaft, ein Bekenntnis zu unterdrücken, verhin-
dern sollte352. Das war in erster Linie zum Schutz der katholischen Minderhei-
ten in denjenigen Städten gedacht, die 1548 nach der Niederlage des Schmalkal-
dischen Bundes vom Kaiser zur Annahme des Interims und zur Wiederzulas-
sung katholischen Gottesdienstes genötigt worden waren. Ferdinand griff damit
ein Anliegen der Katholiken auf, das schon im Mai bei den Vermittlungsgesprä-
chen aufgetaucht war, damals aber von den Protestanten abgelehnt worden
war353. Zur Begründung hieß es in der Resolution, das sei dem innerstädtischen
Frieden dienlich, außerdem seien die Bürger der Reichsstädte unmittelbare
Untertanen des Kaisers und müßten darum in der Religion dieselbe Freiheit
haben wie die Reichsstände, nur könnten die Mehrheiten in den städtischen
Gremien („Rath oder Gemein“) nicht als Gleiche gegenüber Gleichen die Reli-
gion bestimmen wollen.
Zwei zunächst vorgesehene Änderungen sind doch nicht in die Resolution
aufgenommen worden. Bei der Passage, daß die streitige Religion nur friedlich
„zu einhelligem christlichen verstand“ gebracht werden dürfe (Art. 3), wollte
der König das Wort „einhellig“ streichen, weil dadurch selbst mit überwälti-
gender Mehrheit gefaßte Beschlüsse auf Konzilien oder Kolloquien entwertet
würden, die Protestanten ihre Annahme also mit Verweis auf nur eine Gegen-
stimme verweigern könnten. Er hat anscheinend selbst daran erinnert, daß er
schon während der Passauer Verhandlungen eine entsprechende Forderung des
Kurfürsten Moritz zu Fall gebracht hatte, und jetzt ließ er auch den Einwand
nicht gelten, darüber sei lange ergebnislos mit den Protestanten diskutiert wor-
den354. Da indessen schon Jonas’ Konzept diese Entscheidung nicht mehr be-
rücksichtigt, muß Ferdinand kurz darauf seine Ansicht geändert haben355; ver-
mutlich ist er darauf aufmerksam gemacht worden, daß jenes Adjektiv in die-
sem Zusammenhang schon im ersten Entwurf des Zasius gestanden hat, was die
Protestanten leicht hätten nachweisen können. – Ferner hatte Ferdinand zu-
nächst im Artikel über die geistliche Jurisdiktion die schon Anfang Juni von
Bayern letztlich vergeblich geforderte Präzisierung durch Einfügung des Wor-
351 Lutz/Kohler, S. 74f; Lehmann 1, S. 33f; Bucholtz 7, S. 197ff
352 Lutz/Kohler, S. 77; Lehmann 1, S. 36; Bucholtz 7, S. 205f
353 s. oben S. 79
354 Randnotiz in Hornungs Arbeitsexemplar (wie Anm. 346, fol 81v): „secundum deliberationen
Regis das wort einhellig auszulassen aus ursachen so zu Passau auch bedacht worden“, vgl. dazu
auch sein Protokoll (Lutz/Kohler, S. 74).
355 Jonas notierte auf dem ersten Blatt seines Entwurfs (wie Anm. 331): „von wegen des worts
ainhellig rex decrevit taciendum de eo“; vgl. auch Lutz/Kohler, S. 74 Anm. 147.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien