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Die Beratungen zur Handhabung des Landfriedens 115
behalten, seine Einwände auf dem nächsten Reichstag vorzubringen490. Die
Frage wurde also „ausgeklammert“. Im übrigen erklärte der König persönlich
den Tagesordnungspunkt als „verglichen“, womit er akzeptierte, daß die Hilfe
gegen fremde Potentaten ausgeschlossen blieb491. Türkenhilfe konnte er dem-
nach künftig nicht unter Berufung auf die Exekutionsordnung einfordern,
ebensowenig Karl V. Hilfe gegen Frankreich492.
Wenn Ferdinand es insgesamt unterließ, sich für Einzelheiten der Exekutions-
ordnung stärker zu engagieren, wirft das nicht nur ein Licht auf seine Priori-
tätensetzung für die Schlußphase des Reichstages, die dem Religionsfrieden galt.
Er hat trotz aller Vorbehalte das Ergebnis für hinnehmbar gehalten. Von daher
erscheint es erforderlich, das von einigen primär verfassungs- und institutio-
nengeschichtlich orientierten Historikern gefällte Urteil zu überdenken, die
Exekutionsordnung von 1555 sei als eine Niederlage des Königtums zu bewer-
ten, weil es dadurch seine Verantwortung für die Landfriedenswahrung verlo-
ren habe493. Ferdinand, der nun über 25 Jahre mit der Praxis der Friedenssiche-
rung zu ringen gehabt hatte, sah die Angelegenheit offenbar pragmatischer. Es
hatte sich gezeigt, daß an den Aufbau einer vom König bzw. Kaiser dirigierten
effizienten Reichsexekutive nicht zu denken war. Schon das Scheitern der
Reichsregimente hatte das signalisiert, nach der Niederlage Kaiser Karls im
Fürstenaufstand war erst recht kein Ansatzpunkt gegeben. Die jetzt vereinbarte
Exekutionsordnung bot den unbestreitbaren Vorteil, daß überhaupt eine ge-
setzliche Regelung zustandekam, die die Stände via Kreisorganisation in die
Pflicht nahm und viele Fragen regelte494. Für die Reichsspitze brachte es eine
Entlastung, wenn die Bekämpfung kleinerer Friedensstörungen durch Reichs-
gesetz delegiert war495. Bei gravierenden Fällen – etwa dem Treiben des Al-
brecht Alkibiades vergleichbar – blieb die Verpflichtung, den Kaiser bzw. Kö-
nig zu informieren. Da es keinen ständig amtierenden „Generalobristen“ im
Reich geben sollte, war die Gefahr gebannt, daß ein fürstlicher Gegner der
Habsburger auf diesem Wege Machtpotential gewinnen könnte. Eine zusätzli-
che Sicherung ließ Ferdinand mit der – von den Reichsständen als Selbstver-
ständlichkeit bezeichneten, jedoch akzeptierten – Klarstellung einbauen, daß die
Befreiung der Kreisobristen von früher eingegangenen Verpflichtungen sich
490 Lutz/Kohler, S. 140f; Lutz, Christianitas, S. 433f übersah, daß Ferdinand zunächst die Ausfüh-
rungen der Stände wiederholte, und stellte die Sache so dar, als habe Ferdinand seinerseits die
Frage aufgeworfen, ob der burgundische Kreis die Jurisdiktion des Reichs anerkenne. Abwegig
ist Angermeier, S. 324, Ferdinand habe dafür plädiert, die Kreishilfe dem burgundischen Kreis
nicht zu gewähren.
491 Reichstagsprotokoll zum 20.9.1555 (HHStA Wien, RK RTA 32, fol 523v-525r)
492 Schulze, Reich, S. 193; Dotzauer, Reichskreise, S. 52
493 So Hartung, Karl V., S. 164; ders., Fränkischer Kreis, S. 222f; Angermeier, S. 320ff; Laufs,
Schwäbischer Kreis, S. 294f. Vorsichtiger Dotzauer, Reichskreise, S. 23.
494 Gegenüber den Reichsstädten betonte er, es sei immerhin ein guter Anfang gemacht (J. Müller,
S. 262; Friedensburg S. 69). Als Anfang 1556 die Verlängerung des Heidelberger Vereins an-
stand, hielt er das für überflüssig, weil man jetzt die Exekutionsordnung habe (HHStA Wien,
RK Rig 31: F. an die Innsbrucker Regierung, 1.2.1556; vgl. Goetz, Beiträge, S. 3 Anm. 2).
495 Diesen Gesichtspunkt hat Angermeier, S. 315ff, nicht berücksichtigt.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien